Gemäss Art. 62 Abs. 3 BV sorgen die Kantone für eine ausreichende Sonderschulung aller Kinder und Jugendlichen mit Behinderung bis längsten zum vollendeten 20. Altersjahr.

Bis Ende 2007 hat die Invalidenversicherung (IV) die Kosten für den Sonderschulunterricht von Kindern mit Behinderungen übernommen. Die Leistungen umfassten unter anderem sonderpädagogische und pädagogisch-therapeutische Massnahmen, dazu zählten auch logopädische Therapien. Aufgrund der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) per 1. Januar 2008 wurden Gemeinden und Kantone in die Pflicht genommen, die logopädischen Angebote für Kinder und Jugendliche bereitzustellen.

Die logopädische Versorgung der Kinder während der obligatorischen Schulzeit wird in Basel-Stadt in der Sonderpädagogikverordnung geregelt. Für Jugendliche, die weiterhin auf eine logopädische Therapie angewiesen sind, besteht nach der obligatorischen Schulzeit bis zum 20. Lebensjahr eine Versorgungslücke. Anders gesagt: In Basel-Stadt gibt es für Jugendliche im Alter von 16 -20 Jahren kein logopädisches Angebot. Hauptsächlich handelt es sich in diesem Alter um Jugendliche mit folgenden Diagnosen:

  • Redeflussstörung (Stottern, Poltern)
  • Lese-Rechtschreibstörung
  • Restsymptome einer Sprachentwicklungsstörung1
  • Stimmstörung
  • Sprachstörung im Rahmen einer Autismus-Spektrum-Störung
  • Jugendliche mit einer Behinderung

Im Zusammenhang mit einem Nachteilsausgleich bei Schüler:innen und Lernenden mit einer Sprachstörung kann es nötig sein, dass eine logopädische Abklärung erfolgen muss. In diesem Fall erfolgt diese über den Schulpsychologischen Dienst durch eine mandatierte Logopädin. Ergibt sich daraus ein logopädischer Therapiebedarf, wird dieser aber nicht finanziert.

Diese logopädische Versorgungslücke für Jugendliche nach der obligatorischen Schulzeit führt dazu, dass Jugendliche aus einkommensschwachen Verhältnissen keine Therapie erhalten, weil sie nicht privat finanziert werden kann. Damit ist die Bildungs- und Chancengerechtigkeit nicht gewährleistet.

Vor diesem Hintergrund bitten die Anzugstellenden die Regierung Folgendes zu prüfen und zu berichten:

  1. Wie kann die logopädische Versorgung für Jugendliche im Alter von Sekundarstufe II, die weiterhin auf eine logopädische Therapie angewiesen sind, sichergestellt werden?
  2. Wie wird gewährleistet, dass Jugendliche, die auf unterstützte Kommunikation (UK) angewiesen sind, auch nach der obligatorischen Schulzeit in ihren kommunikativen Fähigkeiten weiterhin unterstützt werden?
  3. Welche gesetzlichen Anpassungen sind vorzunehmen, um die therapeutische Massnahme für logopädische Therapien im Anschluss an die obligatorische Schulzeit zu gewährleisten?
  4. Was unternimmt der Kanton Basel-Stadt, um die Chancengerechtigkeit nach der obligatorischen Schulzeit zu gewährleisten und allen Jugendlichen mit einer Sprach-, Sprech- oder Redeflussstörung Therapie zu ermöglichen? Insbesondere ist zu prüfen, inwiefern die Bildungsgerechtigkeit heute gegeben ist und wie sichergestellt werden kann, dass auch Jugendliche aus einkommensschwachen Verhältnissen Zugang zu den Angeboten haben.
  5. Könnte der Kanton Basel-Stadt die Regelungen von anderen Kantonen übernehmen, die eine logopädische Therapie für diese Altersgruppe anbieten und finanzieren?
  6. Gibt es kurzfristige Massnahmen, um betroffenen Jugendlichen Unterstützung zu bieten, bis eine langfristige Lösung gefunden ist?

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1Eine Sprachentwicklungsstörung bedeutet, dass ein Kind, Jugendliche*r oder Erwachsene*r Schwierigkeiten beim Sprechen und/oder beim
Verstehen von Sprache hat. Eine Sprachentwicklungsstörung ist eine nicht sichtbare Beeinträchtigung, die ungefähr zwei Kinder pro Schulklasse
betrifft. Sie beeinflusst den Schriftspracherwerb, das Lernen im Allgemeinen, Freundschaften und das emotionale Wohlbefinden (DLD Fact Sheet).