Nichts ist für die Resilienz der Natur und für eine für die Menschen lebenswerte Umwelt wichtiger, als auf eine möglichst grosse Biodiversität zurückgreifen zu können.

Auf den Rückgang der Biodiversität angesprochen, antwortete mein Professor für Populationsbiologie lakonisch: Viren und Bakterien wird es immer geben. Hinter dieser zynischen Aussage steckt die simple Erkenntnis, dass es die Natur nicht kümmert, ob es Menschen gibt oder nicht. Es liegt weitgehend an uns Menschen, in welcher Umwelt wir und die Generationen nach uns leben wollen.
Wie durchsetzungs- und überlebensfähig gerade Viren sind, davon konnten wir uns in den zwei vergangenen Jahren überzeugen. Gleichzeitig erleben wir, dass ein weniger virulenter Virenstamm, also der Virus selbst, zur Überwindung der Pandemie beitragen kann. Eine Erkenntnis, die wir daraus ziehen könnten, ist, dass die Lösungen für vermeintliche Naturgefahren, welche die Menschheit bedrohen, nicht selten in der Natur selbst zu suchen und zu finden sind. Das Zauberwort für diese Fähigkeit der Selbstheilung heisst «Biodiversität».
Es ist die Biodiversität, die ein riesiges Reservoir von Eigenschaften bereithält, die wir nutzen, um beispielsweise unsere Nahrungspflanzen gegen Krankheiten robust zu machen oder um neue Heilmittel zu entwickeln. Es ist die Biodiversität, die Ersatzpflanzen für Schutzwälder bereithält, die momentan der Klimaerwärmung zum Opfer fallen, und damit Bergsiedlungen rettet. Man könnte diese Aufzählung von Leistungen, welche die Natur für den Menschen tagtäglich erbringt, über viele Seiten weiterführen. Dabei würde immer klarer werden, wie unsäglich kurzsichtig und für das Überleben der Menschheit gefährlich es ist, die Biodiversität zu vernichten und damit den sprichwörtlichen Überlebensast anzusägen, auf dem wir als Menschheit sitzen.

Die Schweiz muss aufholen

Das Ziel der Biodiversitätsstrategie Schweiz ist es, das Steuer noch in letzter Minute herumzureissen und für die stark bedrängte Biodiversität bis 2030 mehr Platz zu schaffen, indem wir ihr 30 Prozent der Flächen (die landwirtschaftlich genutzte Fläche in der Schweiz beträgt ca. 36 %) widmen. Ein Ziel, das die Weltgemeinschaft auch auf globaler Ebene verfolgt. Bei der Erreichung dieses Ziels nimmt die Schweiz mit gerade einmal sechs Prozent unter Schutz gestellten Flächen in Europa bisher den traurigen letzten Platz ein. Dies ist auch nicht mit der dichten Besiedelung der Schweiz zu rechtfertigen, da auch Länder wie Holland oder Dänemark mit sogar schlechteren Voraussetzungen besser dastehen. Kurz: die Schweiz muss aufholen – und gehen wir davon aus, dass Biodiversitätsförderung, Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung grosse Herausforderungen der Zukunft sind, die einander bedingen, so macht es viel Sinn, hier und jetzt bei der Biodiversität den Hebel anzusetzen.
Erschienen im Grünwärts Nr. 29, April 2022.