Gerade Politikerinnen sind verbaler Gewalt ausgesetzt, mit dem Ziel, sie mundtot zu machen.
Frauen werden überdurchschnittlich oft Opfer von Hass und Gewalt. Insbesondere Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen, erhalten immer wieder Anfeindungen als Reaktion auf ihr Auftreten in der Öffentlichkeit. Viele Politikerinnen erleben diesen Hass täglich, etwa wenn sie auf einem Podium auftreten, in einer Fernsehsendung, aber auch im digitalen Raum wie in den Sozialen Medien werden sie meist von Männern auf ihr Geschlecht reduziert und ernten Hass und Gewalt in Form von sexualisierter Gewalt. Viele Frauen schildern den ganz alltäglichen Rassismus und Sexismus in der Schweizer Politik. Sie schildern, wie sie immer wieder angefeindet werden. Es gibt Frauen, die sich genau aus diesen Gründen aus der Politik zurückgezogen haben und etwa ihr Mandat an den Nagel gehängt haben.
Fast alle Frauen in der Politik bekommen Diskriminierungen in der einen oder anderen Form zu spüren: sie werden in Sitzungen übergangen, erhalten sexistische Anspielungen oder erfahren rassistische Demütigungen von anderen Parlamentariern. Diese Reaktionen werden auch aus der Bevölkerung an sie herangetragen, etwa durch anonyme Briefe oder Kommentare unter Zeitungsartikeln.
Manchmal bleibt es nicht bei den rassistischen und/oder sexistischen Erlebnissen. Frauen erhalten auch Droh-Mails, hasserfüllte Direktnachrichten, von Hand geschriebene Gewaltfantasien. Das ist leider keine Seltenheit.
Die Zürcher Kantonsrätin Sarah Akanji erlebt rassistische und sexistische Anfeindungen oft. In der «Republik» antwortet Akanji auf die Frage, ob es themenabhängig sei, wann sie solche Hassbriefe erhalte: «Nein, das Thema scheint nicht so wichtig. Die Briefe kommen, wenn ich im Fernsehen aufgetreten bin oder ein Zeitungsinterview gegeben habe. Das ist das einzige Muster: dass ich mich in der Öffentlichkeit geäussert habe.» Die negativen Rückmeldungen seien selten inhaltlich. «Es sind persönliche Angriffe, diskriminierende Angriffe» («Republik»: Aber wehe, sie macht den Mund auf, 19. März 2021).
Angriffe mit System
Solche Anfeindungen gehören bedauerlicherweise für viele Frauen in der Politik zu ihrem Alltag. Die Schwierigkeit, öffentlich darüber zu sprechen, birgt die Gefahr, wiederum von Anfeindungen heimgesucht zu werden. Ausserdem gibt es eine ambivalente Haltung unter den Betroffenen: Soll darüber gesprochen werden, in der Hoffnung, dass die Angriffe aufhören, oder soll frau besser schweigen, damit die Täter nicht noch mehr Raum erhalten?
Gewalt und Hass an Frauen hat System und ist strukturell bedingt. Die Soziologin und Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach schreibt: «Es ist einer der ältesten sexistischen Tricks: Frauen werden immer wieder auf ihre Plätze verwiesen.»
Motive des Hasses
Die Literaturwissenschaftlerin Pia Portmann hat das Phänomen Hatespeech in der Schweizer Politik in ihrer Masterarbeit untersucht. Sie erhielt Zugang zu Hassbriefen zweier nationaler Politikerinnen: E-Mails, Privatnachrichten auf Social Media, Briefpost etc. In einer wissenschaftlichen Analyse der Hassbotschaften an diese Politikerinnen machte sie verschiedene Merkmale aus, wie die Frauen angegriffen wurden. Und jetzt wird’s spannend! Die Diskriminierungen sind in erster Linie auf das Geschlecht bezogene Erniedrigungen, die häufig eine Sexualisierung beinhalteten. Weiter wird die Zugehörigkeit zur Gesellschaft infrage gestellt. Die Politikerinnen wurden als nicht schweizerisch genug abgestempelt und dafür angegriffen. Damit einhergeht auch der Vorwurf, dass sie deshalb für das politische Mandat ungeeignet seien. Als drittes Merkmal macht Pia Portmann Angriffe auf die Persönlichkeit aus, wonach den Politikerinnen vorgeworfen wird, keine ehrlichen Motive für ihr politisches Engagement zu haben.
Erschienen im Grünwärts Nr. 25, Mai 2021.