Naomi Klein: Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann. Hoffmann und Campe, Hamburg 2019. 351 Seiten, 21 Franken.
An ihrer Delegiertenversammlung vom 15. August 2020 in Windisch haben die Grünen Schweiz beschlossen, angesichts der drohenden Klimakatastrophe und der Corona-Folgen für einen Green New Deal einzutreten. Sie taten dies im Bewusstsein, dass es auf europäischer Ebene entsprechende Bestrebungen gibt (vgl. das Dossier in Grünwärts 23). Vergleichbare Initiativen gibt es auch in den USA.
Die kanadisch-amerikanische Publizistin Naomi Klein ist eine prominente Anhängerin solcher Pläne. Ihr Buch «Warum nur ein Green New Deal unseren Planeten retten kann» ist eine Sammlung von Artikeln und Reden unterschiedlichen Inhalts aus den Jahren 2010 bis 2019.
Hinsehen
So ist «Das Loch in der Erde» eine Reise ins Katastrophengebiet an der Küste von Louisiana, die nach der Explosion der BP-Bohrplattform Deepwater Horizon am 20. April 2010 von einer Ölpest betroffen war. Oder «Der Sommer der Brände» aus dem Jahr 2017 schildert das Leben unter dem vom Rauch zahlreicher Waldbrände getrübten Himmel in British Columbia.
Naomi Klein will uns allerdings nicht einfach nur betroffen machen, sie will, dass wir Massnahmen gegen die Klimakatastrophe ergreifen. Mit Pflästerlipolitik ist das nicht zu machen; was nötig ist, sei ein tiefgehender Wandel. Konservativen «Klimaleugnern» bereitet ein solcher offenbar grössere Sorgen als die Folgen der Klimaerhitzung für das Leben auf unserem Planeten, wie Naomi Klein in ihrem Bericht über eine Klimakonferenz der konservativen und libertären Denkfabrik Heartland Institute festhält.
Was tun?
Doch wie kommen wir zum angestrebten Wandel? Hier liefert Naomie Klein zwei Ansätze: Der eine ist das kanadische Leap-Manifest und der andere der von der US-Kongressabgeordneten Alexandria Ocasio-Cortez und Senator Ed Markey vorgeschlagene Green New Deal.
Das Leap-Manifest entstand im Mai 2015 in Toronto als Frucht eines Treffens von 60 Aktivist*innen aus einem breiten Spektrum von Bewegungen. «Kaum überraschend», so Naomi Klein, «forderten wir in unserem Text zur Klimakatastrophe massive Investitionen in eine grüne Infrastruktur: erneuerbare Energien, höhere Effizienz, mehr Mittel für den öffentlichen Nahverkehr, Hochgeschwindigkeitszüge.» Zugleich verlangte das Manifest auch eine öffentliche Förderung von Umschulungen für diejenigen, die ihren Arbeitsplatz in der kanadischen Rohstoffindustrie verlieren würden, damit sie in der neuen Ökonomie Fuss fassen können.
Der Green New Deal nimmt Bezug auf den amerikanischen New Deal der 1930er-Jahre, ein massives staatliches Arbeitsbeschaffungsprogramm, das unter Präsident Franklin Delano Roosevelt zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Depression lanciert wurde. Ein solches Programm liess sich nur unter dem Druck verschiedener sozialer Bewegungen durchsetzen und mobilisierte seinerseits wieder neue Kräfte. Den Protagonist*innen eines Green New Deals schwebt Vergleichbares als Weg zur Dekarbonisierung vor. Ob der Solarexpress ins Rollen kommt und dabei neue soziale und wirtschaftliche Netze entstehen, wird sich weisen.
Keine Green New Deal-Bibel
Naomi Kleins Buch ist keine «Bibel» für die weltweite Dekarbonisierung, auch wenn die Autorin bisweilen ins Predigen kommt. Man darf auch nicht jeden Satz auf die Goldwaage legen («Die (!) Historiker meinen, gesellschaftlicher Wandel sei stets das Werk einzelner grosser Männer gewesen.»). Es beleuchtet aber eine Reihe von zentralen Aspekten der aktuellen Klimakrise, regt zum Nachdenken, bisweilen auch zum Widerspruch an. Daneben bietet es auch Texte, die den einen oder anderen Einblick in unbekanntes Territorium bieten, so etwa Naomi Kleins Bericht ihrer Einladung als «sekularer jüdischer Feministin» zur Präsentation der päpstlichen Umwelt-Enzyklika «Laudato si‘» im Jahr 2015 nach Rom.