Die Anfang November vom kantonalen Sozialamt Baselland veröffentlichte Studie zur «Harmonisierung und Koordination von Sozialleistungen» sorgte für Schlagzeilen: «Mehr Arbeit, weniger Geld», so lasse sich die Situation der Working Poor im Baselland zusammenfassen. Wie während der Medienkonferenz präsentierte Beispiele zeigen, kann bereits ein geringer Anstieg des Erwerbseinkommens dazu führen, dass ein Haushalt 10’000 Franken weniger pro Jahr zur Verfügung hat. Das Sozialamt Baselland zeigt sich angesichts der Ergebnisse der Studie erstaunt. Erstaunlich sei nicht nur die Höhe der Schwelleneffekte bei den einzelnen Sozialleistungen, sondern auch das grosse Ausmass der durch das Sozialleistungssystem benachteiligten Haushalte: 8700 Haushalte, die aufgrund ihres Erwerbseinkommens (knapp) nicht für den Bezug von Sozialhilfe berechtigt sind, sind finanziell schlechter gestellt als die 4400 Haushalte, die einen Anspruch auf Sozialhilfe haben.
Die Erkenntnis, dass in unserem Nachbarkanton bei vielen Bedarfsleistungen Fehlanreize und hohe Schwelleneffekte aufzumachen sind und deshalb zahlreiche Haushalte benachteiligt werden, wirft die Frage auf, wie sich die Situation von Working Poor in Basel-Stadt gestaltet.
In dem Bericht «Bedarfsabhängige Sozialleistungen in Basel-Stadt» von 2015 hält die Regierung fest, dass dank dem Gesetz zur Harmonisierung der Sozialleistungen (SoHaG 2009) nicht nur Fehlanreize, sondern auch Schwelleneffekte bei der Sozialhilfe durch verschiedene Massnahmen reduziert werden konnten. Gleichwohl bestehe eine Schwelle beim Ein-/Austritt aber weiterhin. Die Interpellantin bittet die Regierung vor diesem Hintergrund um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Wie präsentiert sich das Sozialleistungssystem in Basel-Stadt heute, gut zehn Jahre nach der Harmonisierung? Bestehen weiterhin Schwelleneffekte? Wo und in welchem Ausmass verglichen mit den Ergebnissen aus Baselland?
  2. Aufgrund der Schwelleneffekte gibt es nicht nur «benachteiligte Haushalte», sondern auch von Fehlanreizen «betroffene Haushalte». Aus Sicht der Baselbieter Regierung wird deshalb betont, dass es keine einfachen Lösungen zur Verbesserung der Situation gibt. Entweder müssen die Leistungen vor der Schwelle reduziert oder nach der Schwelle erhöht werden, ersteres zu Lasten der Sozialhilfebeziehenden, letzteres zu Lasten der Kantonsfinanzen. Wie schätzt das zuständige Departement in Basel-Stadt diese gegensätzlichen Behebungsmöglichkeiten ein? Welche Strategie wurde in Basel-Stadt verfolgt und inwiefern hat sich diese Strategie bewährt?
  3. Gibt es Daten oder Schätzungen zur Anzahl der weiterhin «benachteiligten Haushalte» in Basel-Stadt? Konkret: Von wie vielen Haushalten, die in Basel-Stadt keinen Anspruch auf Sozialhilfe haben und zugleich finanziell schlechter gestellt sind als Sozialhilfebeziehende, geht die Regierung aufgrund welcher Datengrundlage aus?
  4. Die Regierung in Baselland sieht bezüglich der Situation von Working Poor Handlungsbedarf, da die Ergebnisse «teilweise bedenklich» seien. Sieht die Regierung ebenfalls Handlungsbedarf, um die Situation von Working Poor in unserem Kanton weiter zu verbessern?
    1. Wenn ja, welche weiteren Massnahmen können ergriffen werden? In welchem Zeitraum können die Massnahmen umgesetzt werden?
    2. Wenn nein, warum nicht?
  5. Seit 2019 ist der Sozialhilfebezug für Menschen mit Aufenthaltsbewilligungen verschärft worden, so kann der Bezug von Sozialhilfe zum Entzug der Aufenthaltsbewilligung und zur Ausschaffung führen, auch bei Personen, die seit über 15 Jahren in der Schweiz leben und arbeiten. In der Stellungnahme zur Interpellation 21.5449.01 von Oliver Bolliger schreibt die Regierung, dass die Sorge vor dem Aufenthaltsverlust bei Sozialhilfebezug zum Teil unbegründet sei und diesbezüglich ein Informationsblatt verteilt werden soll.
    1. Ist diese Information bereits erfolgt und hat das zu Neuanmeldungen bei der Sozialhilfe geführt?
    2. Gab es in Basel-Stadt aufgrund des neuen restriktiven Ausländer- und Integrationsgesetzes ausländerrechtliche Konsequenzen für Sozialhilfebeziehende? Konkret: Ist es in Basel-Stadt zum Entzug von Aufenthaltsbewilligungen gekommen und wenn ja, in wie vielen Fällen?
    3. Welche neuen Erkenntnisse haben sich aus dem auf den Spätsommer angesetzten Treffen der Exekutiven von Zürich und Basel bezüglich des Zürcher Pilotprojekts
      «Wirtschaftliche Basishilfe» für die Regierung ergeben?

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