Ja zu Grundrechten für Primaten
Die sogenannte Primateninitiative möchte in der baselstädtischen Kantonsverfassung das Recht auf Leben sowie auf körperliche und geistige Unversehrtheit für nicht-menschliche Primaten festhalten. Damit würden nichtmenschliche Primaten erstmals fundamentale Rechte und nicht nur Schutz erhalten.
Es liegen zwei Gerichtsentscheide vor, die das Anliegen für rechtlich zulässig erklärt und erläutert haben, dass es sich hierbei nicht um Menschenrechte, sondern um spezielle, eigenständige Grundrechte handeln würde, die nur den Staat und nicht die Privaten direkt binden und Primaten auch nicht zu Rechtssubjekten des Privatrechts machen.
Die praktischen Auswirkungen der Initiative sind überschaubar, da zurzeit nur der Zolli und der Tierpark Lange Erlen Primaten halten. Da es sich um private Institutionen handelt, wird ihre Primatenhaltung durch die Initiative nicht grundsätzlich infrage gestellt. Soweit eine allfällige indirekte Drittwirkung dazu führt, dass auch Private etwa bei der Euthanasie oder der Kastration ihrer Tiere eingeschränkt werden und ihre Primatenhaltung insofern anpassen respektive verbessern müssen, sollte dies von einem modernen Zoo mehr als Chance denn als Risiko für die Primatenhaltung gesehen werden.
Konkrete Umsetzung möglich
Ausserdem ist die Umsetzung der Initiative möglich und wurde von den Gerichten auch bereits angedacht, sei es, indem eine spezielle Ombudsperson mit der Wahrung der Interessen der Tiere beauftragt wird oder eine Stelle im Veterinäramt oder ein Tierbeistand diese Aufgabe übernimmt.
Die Initiative hat eine vorbeugende Wirkung, indem mit ihrer Annahme sichergestellt wird, dass der Kanton bzw. seine Institutionen wie z.B. die Universität auch zukünftig nicht invasiv mit Primaten forschen. Es darf dabei nicht vergessen gehen, dass am Forschungsstandort Basel noch bis vor ein paar Jahren Affen zu Forschungszwecken gehalten wurden. Insofern ist es nicht zufällig, dass die Initiative hier in Basel-Stadt lanciert wurde.
Impuls und Sensibilisierung
Darüber hinaus greift die Initiative ein wichtiges Anliegen auf und ist Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung, welche Tieren und natürlichen Gegenständen eine stärkere rechtliche Stellung respektive überhaupt erst Rechte verschaffen will. Eine gerechte Gesellschaft verleiht nicht nur den Stärksten Rechte, sondern auch den Schwächsten, also jenen, die sich nicht selbst wehren können und ohne Rechte der Willkür der Stärksten ausgeliefert wären. Wohin sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier, aber auch zwischen Mensch, Natur und Technik (künstliche Intelligenz) entwickeln und wie das Recht damit umgehen soll, ist auch im Kontext der Ausnutzung von Tieren und natürlichen Ressourcen unbedingt diskussionswürdig. Die Initiative sorgt hier für eine positive Impulswirkung sowie für eine Sensibilisierung und fördert so ein gesellschaftliches Umdenken.
Wichtige und bahnbrechende Anliegen müssen immer irgendwo ihren Anfang nehmen. Daher ist es legitim, wenn die Initiative, obschon sie von ihrer Tragweite her eigentlich auf einer höheren Ebene diskutiert werden muss, zunächst in einem Kanton lanciert wird. Die Öffnung von Rechten für bestimmte Gruppen, die bislang vom Kreis der Rechtsträger ausgeschlossen sind und ihre Rechte daher nicht selbst einfordern können, braucht in einem demokratischen Rechtsstaat meist mehrere Anläufe. Hier in Basel wird nun ein erster solcher Anlauf genommen.
Die Initiative bietet insgesamt mehr Chance und als Risiko. Sie möchte den nicht-menschlichen Primaten fundamentale Rechte geben, ohne dabei anderen Lebewesen etwas wegzunehmen. Die Mitgliederversammlung hat nach intensiver Diskussion mehrheitlich die Ja-Parole gefasst.
Erschienen im Grünwärts Nr. 28, Januar 2022.