Klimastreik und Parteipolitik: Geht das zusammen?
Ein Rückblick auf den Grünen Diskussionstag und Ideen für die Zukunft.
Ein Jahr und zwei Prozent der Bevölkerung: Diese Zahlen nannte uns – einer kleinen Gruppe Basler Klimastreikender – ein ehemaliger Kaiseraugst-Aktivist nach einer Klimademo. Wollten wir wirklich Veränderung sehen, müssten wir mindestens ein Jahr lang am Ball bleiben und dabei 160’000 Menschen mobilisieren. Für mich damals schier unerreichbar scheinende Zahlen, aber sie trugen dazu bei, dass wir dran- und dabeibleiben wollten. Unterdessen hat der Klimastreik beide Meilensteine hinter sich gebracht. Der grosse Durchbruch in der Klimapolitik bleibt aber weiterhin aus – nach über zwei Jahren Streiken, Fordern, Organisieren und Diskutieren macht sich bei vielen Klimastreiker*innen Frust und Hoffnungslosigkeit breit. Die Bewegung droht sich in entgegengesetzte Richtungen zu entwickeln: Hin zu Parteien, um den «System Change» von innen heraus anzutreiben, oder weg von den Institutionen, einhergehend mit einer Ablehnung jeglicher Kompromisse.
Wurde viel oder wenig erreicht?
Was bedeuten diese Haltungen für die etablierten Parteien, besonders für die Grünen, die sich Klimaschutz seit Jahrzehnten auf die Fahne schreiben? Der vergangene Diskussionstag ermöglichte es, uns mit dieser Frage auseinanderzusetzen. Im Workshop «Klimastreik, Systemkritik und die Grünen: Wie schaffen wir den Spagat?» fanden Klimastreikende, jgb-ler*innen, Grossrät*innen und Vorstandsmitglieder an einem virtuellen Tisch zusammen. Eine Mischung, die es in sich hatte: Die Wahrnehmungen drifteten auseinander. Seit dem Klimastreik könne in den Parlamenten endlich vernünftige Klimapolitik gemacht werden, hiess es auf Seite der Grünen. So sei zum Beispiel dank der Klimastreik-Forderung nach «Netto Null bis 2030» der Zeitrahmen des Pariser Abkommens plötzlich zum Mindestmass geworden und es fänden sich Mehrheiten für Massnahmen, wie es vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen sei. Der Klimastreik müsse also noch nur ein wenig dranbleiben, dann komme die Veränderung schon – vielleicht weitere zwei Jahre. Eine Aussage, die Entrüstung auslöste: Für die Klimastreikenden ein Hohn nach der anfangs beschriebenen 1-Jahres-Perspektive und bald drei Jahren Streiken sowie unzähligen Aktivismus-Burnouts. Für die Klimastreikenden liegt der Ball klar auf der anderen Seite: Die Grünen profitierten wie kaum eine andere Partei von den starken Klimabewegungen. Statt sich auf diesen Erfolgen auszuruhen, müsse dementsprechend jetzt auch geliefert werden, hiess es von Seiten Klimastreik. Die guten Wähleranteile bringen denn auch Verantwortung mit sich, die Erwartungen an die grüne Klimapolitik sind hoch. Eine Herausforderung angesichts der langsamen Mühlen unserer Demokratie und der schwierigen Mehrheiten.
Nur zusammen mehr möglich
Für alle Beteiligten war oder wurde im Laufe der Diskussion klar: Politik heisst nicht nur, in Parlamenten und Kommissionen zu sitzen. Politik reicht weiter, und beginnt oft auf der Strasse. Statt die verschiedenen Methoden gegenseitig zu kritisieren und in Frage zu stellen, wollen wir voneinander lernen, miteinander zusammenarbeiten und uns gegenseitig, so gut es geht, unterstützen. Wir sind überzeugt, eine wirksame Klimapolitik erreichen wir nur zusammen. Die Klimaversammlungen, die Lokalgruppen in den Quartieren, der Strike4Future am 21. Mai 2021 oder der Abstimmungskampf um das CO2-Gesetz (welches der Klimastreik Region Basel mit einer «Ja, aber»-Parole unterstützt) sind ideale Aufhänger, um die Zusammenarbeit zwischen Partei und Bewegung zu festigen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit engagierten Grünen-Mitglieder!
Erschienen im Grünwärts Nr. 25, Mai 2021.
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