Nach § 40 der Kantonsverfassung ist vom Stimm- und Wahlrecht ausgeschlossen, wer “wegen dauernder Urteilsunfähigkeit unter umfassender Beistandschaft steht oder durch eine vorsorgebeauftragte Person vertreten wird”. Dies stellt einen schwerwiegenden Eingriff in die politischen Rechte der Betroffenen dar. Ihre Meinung zählt nicht; sie werden nicht als gleichwertige Bürgerinnen und Bürger anerkannt.
Dieser Ausschluss beruht auf der zu generalisierten und schematischen Vorstellung, dass Personen, die für die Bewältigung des Alltages auf den Schutz einer umfassenden Beistandschaft oder einer Vertretung angewiesen sind, zur politischen Meinungsbildung nicht fähig sind. Die Realität sieht anders aus: Wie in der restlichen Bevölkerung gibt es auch in dieser Gruppe von Menschen solche, die politisch aktiv sein wollen und andere, die sich nicht in der Lage sehen oder kein Bedürfnisempfinden, sich mit politischen Themen auseinanderzusetzen.
Der Kreis der Stimm- und Wahlberechtigten ist historisch betrachtet stetig gewachsen. Heute kommen die politischen Rechte nach § 40 der Kantonsverfassung deshalb einem ausserordentlich weiten Personenkreis zu. Der kategorische Ausschluss gewisser Menschen mit Behinderungen steht quer zu dieser Entwicklung und verstösst gegen die Grundwerte unserer Verfassungsordnung. Er lässt sich mit dem verfassungsrechtlichen Verbot der Diskriminierung wegen einer Behinderung nicht vereinbaren. Er widerspricht auch den völkerrechtlichen Verpflichtungen, welche die Schweiz beider Ratifizierung der UN-BRK eingegangen ist.
Der eindeutige Entscheid der Genfer Stimmberechtigten aus dem Jahr 2020 (75% Ja-Stimmen), das kantonale Stimm- und Wahlrecht auch diesen Schweizerinnen und Schweizern zukommen zu lassen, ist folgerichtig. In den Kantonen Neuenburg und Waadt sind entsprechende Motionen hängig, im Wallis setzt sich der Verfassungsrat damit auseinander. Europäische Länder, z.B. Frankreich und Österreich, haben ihre Gesetze angepasst, damit Menschen mit Behinderungen im Bereich der politischen Rechte nicht mehr diskriminiert werden.Die Unterzeichnenden bitten deshalb den Regierungsrat, eine Änderung von §40 der Kantonsverfassung und §3 des Wahlgesetzes vorzulegen, die keinen Menschen mehr von der Stimmberechtigung ausschliesst, welche Behinderung er auch immer haben möge.
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