Die Vereinbarung für das öffentliche Beschaffungswesen will mehr Nachhaltigkeit erreichen. Die Grünen fordern vom Regierungsrat, dies auch möglichst ökologisch umzusetzen.
Die Grünen begrüssen den Beitritt zur revidierten Vereinbarung für das öffentliche Beschaffungswesen. Die neuen Regeln sehen nicht nur ökonomische, sondern auch ökologische und soziale Parameter vor. Damit wird das Thema Nachhaltigkeit zum Leitthema für das Beschaffungsrecht, worunter insbesondere auch die Umweltverträglichkeit sowie die Ressourcenschonung und –Effizienz verstanden wird.
Ein Puzzleteil für Erreichung der Klimaziele
Bei der Anwendung der neuen Regeln ist es zentral, dass Basel-Stadt die Möglichkeiten des neuen Beschaffungsrechts umfassend nutzt: Der Qualitätswettbewerb muss verbessert, Nachhaltigkeit eingefordert und Innovation gebührend gefördert werden. Umweltkriterien wie der Strom-Mix oder Lebenszykluskosten wie der Wasserverbrauch müssen bei Ausschreibungen einbezogen werden. „Das Beschaffungsrecht kann dabei zu einem Puzzleteil für die Erreichung der Klimaziele werden“, sagt Grossrätin Jo Vergeat.
Die Kantonale Fachstelle für öffentliche Beschaffungen muss nun gemeinsam mit dem Amt für Umwelt und Energie zu einem eigentlichen Kompetenzzentrum für nachhaltige Beschaffungen werden. Zudem soll ein Monitoring für die Umweltverträglichkeit der Beschaffung in allen Departementen installiert werden.
Gleichstellung und Chancengleichheit sichern
Im vorliegenden Vorschlag fehlen Angaben zur Sicherstellung der Chancengleichheit, insbesondere von Menschen mit Beeinträchtigungen. Dies muss bei der Ausarbeitung des Ratschlags aufgenommen werden. Zudem soll der Regierungsrat noch ausführen, wie er die vorgesehenen Gleichstellungsmassnahmen im Beschaffungswesen umzusetzen gedenkt.

Stellungnahme zur Vernehmlassung über das Einführungsgesetz zur Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (EG IVöB)

Zustimmung zum Beitritt zur revidierten IVöB

Das öffentliche Beschaffungsrecht regelt ein wichtiges Segment der Volkswirtschaft in der Schweiz. Seine Grundlagen findet es im WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (GPA). Aufgrund der 2012 abgeschlossenen Revision des GPA sind Anpassungen im nationalen Recht sowohl auf Bundesebene als auch auf kantonaler Ebene erforderlich. Die Grünen begrüssen die weitgehende Koordination, welche mit dem revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB; SR 172.056.1) und der nun vorliegenden Interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (EG IVöB) erreicht wurde.
Im Beschaffungsrecht fand mit der Revision des GPA ein eigentlicher Paradigmenwechsel statt. Der bisher begrenzte Fokus auf eine möglichst günstige Beschaffung wurde deutlich erweitert. Das GPA 2012 erwähnt explizit in Artikel X Absatz 6 (und in engem Zusammenhang mit dem Nichtdiskriminierungsgebot in Art. X Abs. 1) die Realisierung umwelt- und ressourcenpolitischer Zielsetzungen. Diese neue Stossrichtung des Staatsvertragsrechts wurde auf nationaler Ebene und nun auch auf kantonaler Ebene aufgenommen. Zweck der neuen Beschaffungsregeln ist nicht bloss wie bis anhin der wirtschaftliche, sondern der wirtschaftliche und volkswirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltige Einsatz der öffentlichen Mittel. Damit wird das Thema Nachhaltigkeit zentraler Leitfaden für das Beschaffungsrecht. Entsprechend diesem Grundsatz soll nicht mehr das wirtschaftlich günstigste Angebot den Zuschlag erhalten, sondern neu das «vorteilhafteste» Angebot (Art. 41 IVöB). Dieser Paradigmenwechsel mit dem deutlich geforderten Fokus auf den ökologisch und sozial nachhaltigen Einsatz der öffentlichen Mittel wird von den Grünen ausdrücklich begrüsst.

Zustimmung zu den vorgeschlagenen Bestimmungen im EG IVöB

Die IVöB ist direkt anwendbar. Gemäss dem Vereinbarungstext besteht für die Kantone bei der Erklärung des Beitritts neben dem Erlass der notwendigen Vollzugsregelungen nur noch wenig Spielraum für eigene beschaffungsrechtliche Bestimmungen. Gemäss Art. 63 Abs. 4 IVöB ist lediglich der Erlass von ergänzenden Ausführungsbestimmungen und zwar insbesondere zu den Artikeln 10, 12 und 26 des Konkordats erlaubt und abweichende Bestimmungen zur IVöB in anderen Bereichen sind nicht zulässig. Dies schränkt den Gestaltungsspielraum des kantonalen Gesetzgebers beim Beitritt zur Vereinbarung wesentlich ein, was aus Sicht des kantonalen Gesetzgebers zu bedauern ist. Diesem Interesse an der Wahrung eines kantonalen Gestaltungsspielraumes steht aber das gewichtige Interesse an einer einheitlichen Regelung des Beschaffungsrechts gegenüber. Es ist aufgrund der grenzüberschreitenden Bedeutung des Beschaffungsrechts somit hinzunehmen, dass nur noch wenig Spielraum für kantonale Ausführungsbestimmungen besteht. Für die Grünen besteht – wie vom Regierungsrat vorgeschlagen – kein Bedürfnis nach einer Ausdehnung des Geltungsbereichs (Ziff. 2 Mustergesetz), einer anderslautenden Regelung der Fristen und Fristverkürzungen im Nichtstaatsvertragsbereich (Ziff. 3 Mustergesetz) und einer Bezeichnung des für das Verfügungs- und Beschwerdeverfahren massgeblichen kantonalen Rechts im EG IVöB selbst.

Das revidierte IVöB muss in Basel zum Fokus auf ökologisch und sozial nachhaltige Beschaffungen genutzt werden.

Wie bereits erwähnt, sieht bereits das revidierte GPA 2012 vor, dass die Realisierung umwelt- und ressourcenpolitischer Zielsetzungen beim Beschaffungsrecht zu berücksichtigen sind. Dies wird von der revidierten IVöB bei der Definition des Zwecks und an anderen Stellen ebenso betont. Die revidierte IVöB erlaubt es den Kantonen und den Gemeinden ausdrücklich, sozial und ökologisch verantwortungsvoll einzukaufen und die Beschaffungen entsprechend festzulegen. Sowohl bei den technischen Spezifikationen wie auch bei den Zuschlagskriterien ist das der Vereinbarung zu Grunde liegende Ziel der Nachhaltigkeit zu beachten. Mit diesem Nachhaltigkeitsziel soll unter anderem der sozial und ökologisch verantwortungsvolle Einsatz der öffentlichen Mittel sichergestellt werden.
Im Musterratschlag zur IVöB wird verdeutlicht, dass insbesondere die Sicherstellung der Umweltverträglichkeit sowie der Ressourcenschonung und -effizienz darunter verstanden wird (Musterratschlag, S. 69). Diese Aspekte können Faktoren wie Schadstoffgehalt, Wasser-, Boden- und Luftbelastungen sowie Energie-, Wasserverbrauch oder Beeinträchtigung der Biodiversität beinhalten. Umwelt- und Ressourcenaspekte können sich auf den Beschaffungsgegenstand selbst, aber auch auf seine Herstellung, Nutzung und Entsorgung beziehen. Die Dimension Soziales ermöglicht es beispielsweise, Fair Trade-Produkte zu beschaffen oder die Beschäftigung von Personen mit einer gesundheitlichen Einschränkung oder auch die Wiedereingliederung von Langzeitarbeitslosen zu berücksichtigen.
Auftraggebende werden damit spezifisch dazu ermächtigt, technische Spezifikationen zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen oder zum Schutz der Umwelt vorzusehen. Der Kanton Basel-Stadt hat bereits bisher bei seinen Beschaffungen Wert auf Nachhaltigkeit, Qualität und Innovation gelegt. Das neue Beschaffungsrecht bietet aber klare und erweiterte Grundlagen, welche genutzt werden müssen. Mit der Festlegung von entsprechenden Vorgaben und Zuschlagskriterien kann im Beschaffungswesen ein wesentlicher Beitrag zu Erreichung von Nachhaltigkeitszielen insbesondere von Massnahmen zur Reduktion der Klimaerwärmung erreicht werden.
Für die Grünen ist es zentral, dass in Basel Kanton und Gemeinden von den Möglichkeiten des neuen Beschaffungsrechts umfassend Gebrauch machen. Die Ziele der Verbesserung des Qualitätswettbewerbs, der konsequenten Forderung und Förderung der Nachhaltigkeit und Innovationsförderung sollen bei kantonalen Beschaffungen in Zukunft zentrale Beachtung finden. Im Vordergrund muss dabei insbesondere die Erreichung der Klimaschutzziele stehen.
Aufgrund des neuen Beschaffungsrechts hat der Bundesrat in der entsprechenden Beschaffungsstrategie für die Bundesverwaltung festgelegt, dass Nachhaltigkeitsüberlegungen, der Qualitätswettbewerb und Innovationen im Zentrum der Bundesbeschaffungen stehen müssen und entlang des gesamten Beschaffungsablaufs die Nachhaltigkeitsaspekte zu berücksichtigen sind. Der Bund hat im Bundesamt für Umwelt (BAFU) eine Fachstelle ökologische öffentliche Beschaffung geschaffen. Die Fachstelle hat den Auftrag, einen konkreten Beitrag zur nachhaltigen Beschaffung zu liefern und Verantwortungsträger für das öffentliche Beschaffungswesen in Bund, Kantonen und Gemeinden (z.B. Beschaffungsstellen, Aufsichtsbehörden) bei der Umsetzung dieser Ziele zu unterstützen.
Das Umweltbundesamt, die zentrale Umweltbehörde Deutschlands hat ein Forschungsprojekt zur „Erarbeitung wissenschaftlicher Grundlagen zur Forcierung der Berücksichtigung von Umweltkriterien bei der Vergabe von Aufträgen durch die öffentliche Hand» lanciert. 2019 hat es dazu ein Rechtsgutachten «umweltfreundliche öffentliche Beschaffung» publiziert. Darin wird betont, dass die Beschaffungsstellen bei der Bedarfsermittlung und der Auswahl des Auftragsgegenstandes die Möglichkeit haben, von vornherein einen umweltfreundlichen Beschaffungsgegenstand zu wählen. Zudem können Umweltanforderungen an das Produkt oder die Bau- bzw. Dienstleistung in die Leistungsbeschreibung einbezogen werden. So kann z. B. bei der Beschaffung von Strom gefordert werden, dass der gelieferte Strom ganz oder zu einem gewissen Anteil aus erneuerbaren Energien stammt. Auch Lebenszykluskosten, zum Beispiel Verbrauch von Strom und Wasser etc., können in die Leistungsbeschreibung einfliessen. Solche Umwelteigenschaften und Lebenszykluskosten können nun aber auch explizit bei den Zuschlagskriterien aufgeführt werden. Auch bei der Ausführung von Aufträgen darf die öffentliche Beschaffungsstelle von den Unternehmen fordern, dass sie Umweltanforderungen einhalten (Rechtsgutachten umweltfreundliche öffentliche Beschaffung, S. 119).
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass das neue Beschaffungsrecht einen grossen Spielraum zur Erzielung von ökologischen und sozialen Vorgaben im Beschaffungsrecht schafft. Diesen gilt es zu nutzen! Hierfür ist aber erforderlich, dass diese Zielsetzung als Leitfaden in die Beschaffungen aller Departemente und Dienststellen eingeführt wird. Die Grünen fordern daher, dass bei der Beratung der Bedarfsstellen durch die Kantonale Fachstelle für öffentliche Beschaffungen (KFöB) diese Zielsetzung als Vor- und Aufgabe aufgenommen wird. Wir fordern, dass die KFöB zu einem eigentlichen Kompetenzzentrum für nachhaltige und ökologische Beschaffungen geformt wird und dass sie bei den Departementen für die Beachtung der Nachhaltigkeitsziele bei Beschaffungen sorgt. Die KFöB soll die Vorgaben in enger Zusammenarbeit mit dem Amt für Umwelt und Energie ausarbeiten und entsprechende Schulungen anbieten. Mit entsprechenden Monitoring-Berichten soll aufgezeigt werden, ob und in welchem Umfang die Beschaffungsstellen die Zielsetzung eines ökologischen und sozialen Ressourceneinsatzes erreicht haben.

Es fehlen Angaben im Ratschlag zur Umsetzung des Auftrags zur Gewährleistung der Chancengleichheit im Beschaffungsrecht

Der Regierungsrat hat im Ratschlag und Bericht betreffend kantonale Volksinitiative „Für eine kantonale Behindertengleichstellung“ ausgeführt, dass es im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens bis anhin an einer Bestimmung hinsichtlich behindertengerechter Arbeitsbedingungen von Unternehmen, welche in einem öffentlichen Vergabeverfahren den Zuschlag erhalten fehlt. Die Verankerung der Gewährleistung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen als Zuschlagskriterium im Beschaffungsrecht wurde zu Recht als sinnvolles Instrument bezeichnet (Ratschlag Behindertengleichstellung, S. 15). Weiter wurde in Aussicht gestellt, dass der Regierungsrat nach der Vorlage zum IVöB einen Ratschlag oder einen Bericht betreffend Umsetzung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen im Bereich der öffentlichen Beschaffungen (Freihandverfahren, Einladungsverfahren und öffentliche Vergabe) erstellt. Im vorliegenden Ratschlag zum Beitritt zur IVöB fehlen Angaben zur Sicherstellung der Chancengleichheit von Menschen mit Behinderungen im Beschaffungsrecht. Die Grünen erwarten, dass der Regierungsrat in seinem Ratschlag aufzeigen wird, wie er diesem wichtigen Anliegen im Rahmen bei zukünftigen Beschaffungen unter der Geltung der IVöB Rechnung tragen wird.

Dem Gleichstellungsgedanken ist umfassend Rechnung zu tragen

Der “sozialen Nachhaltigkeit” wird in der IVöB unter anderem damit Rechnung getragen, dass Aufträge in der Schweiz nur an Anbieter vergeben werden dürfen, welche die Bestimmungen über Arbeitsschutz und Arbeitsbedingungen sowie die Gleichbehandlung von Frau und Mann in Bezug auf die Lohngleichheit einhalten. Die Beschaffungsstellen in Basel-Stadt sind dazu aufgefordert, für eine umfassende Umsetzung dieser Vorgabe zu sorgen. Bereits mit dem Beitritt zur Charta der Lohngleichheit im öffentlichen Sektor hat sich der Kanton Basel-Stadt dazu verpflichtet, für die Einhaltung der Lohngleichheit im Rahmen des öffentlichen Beschaffungs- und/oder Subventionswesens durch die Einführung von Kontrollmechanismen zu sorgen. Es ist zu erwarten und zu fordern, dass der Regierungsrat im definitiven Ratschlag zum EG IVöB ausführt, wie er diese Vorgaben nach dem Beitritt zur IVöB umsetzt.