Atombomben bleiben auch 75 Jahre nach Hiroshima und Nagasaki eine traurige Realität. Dies unterstreicht die Relevanz des sogenannten «Nuclear Divestments».
Fast 75 Jahre nach den Abwürfen von zwei Atombomben über Hiroshima und Nagasaki bedrohen heute immer noch etwa 15’000 Atomwaffen die Menschheit. Die wenigen Länder, welche diese Massenvernichtungswaffen besitzen (siehe hier), investieren zudem über die nächste Dekade massiv für deren Erneuerung und Unterhalt. So ist von den USA bekannt, dass sie in den nächsten zehn Jahren dafür groteske 1000 Milliarden Dollar ausgeben werden. Zahlen aus Russland und China sind nicht bekannt. Während dieses Geld von den Regierungen und damit von den SteuerzahlerInnen der diversen Atomwaffenstaaten kommt, haben in den letzten Jahren diverse Berichte aufgezeigt, dass auch der Privatsektor über 300 Milliarden US-Dollar selber in Firmen investiert, welche Atomwaffen in Frankreich, Indien, England und den USA produzieren, modernisieren und unterhalten.
Die Anwendung chemischer Waffen in Syrien vor einiger Zeit hat gezeigt, dass wenn Massenvernichtungswaffen Teil nationaler Waffenarsenale darstellen, ihre Anwendung nie ganz ausgeschlossen werden kann. Diese nicht diskriminierenden Chemiewaffen müssen universell kriminalisiert und auf verifizierte Art eliminiert werden: Unabhängig vom jeweiligen Szenario verletzt ihre Anwendung in jedem Fall die grundlegenden humanitären und ethischen Prinzipien. Es gibt somit auch keine Rechtfertigung dafür, dass Waffenarsenale auch Atomwaffen enthalten sollen.
Hungersnot durch Atomwaffen
In den letzten Jahren ist es zu einem Konsens unter vielen Ländern gekommen, dass Atomwaffen als illegal deklariert werden müssten. Nicht nur hätte der Einsatz von Atomwaffen katastrophale humanitäre Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, sondern würde auch zu massiven Umweltschäden führen. Auch würde selbst ein «kleiner Atomkrieg» beispielsweise zwischen Indien und Pakistan zu einer massiven Hungersnot führen. Der dafür verwendete Terminus «Nuclear Famine» beschreibt die Folge eines Atomkriegs in Südasien: Staub- und Asche-Aufwirbelung führten zu einer massiven atmosphärischen Filterwirkung des Sonnenlichts, sodass die Wachstumsphasen für Agrikulturprodukte erheblich verkürzt würden. Das würde bedeuten, dass bis zu zwei Milliarden Menschen
der nördlichen Hemisphäre eventuell eine bis zu zehn Jahren dauernde Hungersnot erleiden würden. Atomwaffen unterscheiden auch nicht zwischen Zivilbevölkerung und Militär und treffen dabei vor allem Erstere. Gemäss Artikel 6 des Atomsperrvertrags (NPT bzw. Nonproliferation Treaty) haben sich zwar alle Länder dazu verpflichtet, auf eine Welt hinzuarbeiten, die atomwaffenfrei ist. Leider zeigt die Realität, dass die Sicherheitsbedenken der Atommächte, aber auch der Status einer Atommacht immer Vorrang über die Anliegen der Abrüstung haben. Von einem moralischen Gesichtspunkt her müsste es also Finanzinstituten und Pensionskassen somit klar sein, dass Investitionen in Atomwaffenproduzenten falsch sind. Der 2017 von 122 Ländern vorgeschlagene Atomwaffen-Verbotsvertrag (TPNW bzw. Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons) wurde anfänglich auch von der Schweiz begrüsst. Allerdings zieht sich die Signierung und Ratifizierung der TPNW durch unser Land hin, obwohl sowohl der National- als später auch der Ständerat die Ratifizierung aus humanitären Gründen befürworten.
Schweizer Grossbanken in der Pflicht
Es gibt sehr viele Finanzinstitute in dieser globalisierten Welt. Teilweise sind sie in privatem Besitz, teilweise sind sie Staatsbetriebe. Darunter sind Banken, Versicherungsfirmen, Investmentfonds, Investmentbanken, Pensionskassen, Export-Kreditfirmen und viele andere mehr. Da die Mehrheit von ihnen auf den Finanzmärkten und Finanzinstituten basieren, die ihnen zu Kapital verhelfen, spielen eben diese eine Schlüsselrolle in vielen Bereichen der gesellschaftlichen Aktivitäten.
Auch die Schweizer Grossbanken investieren leider noch stark in Firmen wie Boeing, Airbus etc., deren Produktpalette neben Zivilflugzeugen eben auch Atomwaffen einschliesst. Welche Firmen und welche ihrer Projekte so finanziert werden, spielt in der heutigen globalisierten Welt eine zunehmend wichtige Rolle, und letztlich haben deshalb auch Banker einen grossen Einfluss bei der Schaffung einer sicheren Welt für alle und vor allem für unsere Nachkommen. Dies immer dann, wenn sie ihre Investitionsentscheide aufgrund ethischer Überlegungen machen und darin von ihren Kunden und der Öffentlichkeit unterstützt werden. Aus diesem Grund sind heute diskutierte Appelle und Initiativen von politischen Partien, Nichtregierungsorganisationen und engagierten BürgerInnen für ein sog. «Nuclear Divestment » sehr ernst zu nehmen.
Artikel erschienen im Grünwärts Oktober 2019.
Andreas Nidecker, Vorstand PSR / IPPNW Schweiz