In der durch den Ukrainekrieg manifest gewordenen Energiekrise ist häufig die Rede von einer Renaissance der Atomenergie. Eine solche gibt es nicht. Weltweit, insbesondere in Europa und Nordamerika sind nur wenige AKW im Bau. Deren Planungs- und Bauzeiten verzögern sich laufend, und die Kostensteigerungen infolge technischer Probleme sind massiv. Die bestehenden AKW kämpfen mit Sicherheitsproblemen und häufigen Störfällen. Grossrisiken bleiben nicht versicherbar. Die Endlagerung des Atommülls ist ungelöst. Russland dominiert auch den Uranmarkt. Das in der Schweiz verwendete Uran kommt grösstenteils aus Russland. AKW sind mittlerweile die grösste Quelle einer Energie-Versorgungskrise, wie sich letzten Winter zeigte, als die Hälfte der französischen Atomkraftwerke nicht am Netz war.

Weil die Kosten von Photovoltaik und Windstrom sinken, ist in der Schweiz niemand bereit, in neue AKW zu investieren. Vor allem autoritäre Staaten
wie China setzen noch auf Atomkraft. Frankreich kämpft in der EU um Subventionen, um seinen krisenanfälligen, in die Jahre gekommenen Atompark weiter finanzieren zu können.

Die Atomlobby und unverbesserliche Optimist*innen beschwören eine kommende Generation «neuer Reaktorkonzepte». Diese existieren jedoch höchstens als Blaupausen oder in Laborexperimenten. Dies gilt auch für die Small Modular Reactors (SMR).

Ursachen des Niedergangs der Atomkraft

Nach den Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki gelang es den Atommächten mit dem Versprechen des «friedlichen Atoms» eine weltweite Euphorie
zu erzeugen. Die Realität ist eine Geschichte von Pleiten und Katastrophen.

Als Erstes verflüchtigte sich der Mythos vom «friedlichen Atom». Mit wenigen Ausnahmen produzieren nur Staaten AKW, die auch Atomwaffen besitzen.
Ein massiver Rückschlag für die Atomindustrie war das Scheitern der Schnellen-Brüter-Technologie, mit welcher das Problem des beschränkten Uran-Brennstoffs gelöst werden sollte und atomwaffenfähiges Plutonium produziert werden kann. Frankreich, Grossbritannien und die USA haben diese Technologie aufgegeben. Deutschlands Brüter in Kalkar nahm nie den Betrieb auf. Heute hat nur Russland zwei Schnelle Brüter, in China und Indien sind solche im Bau.

Der Niedergang der Atomenergie ist jedoch in erster Linie die Folge schwerer Unfälle. 1979 kam es in Harrisburg/USA zu einer Kernschmelze in Three Mile
Island, ein Ereignis, von welchem behauptet worden war, dass es unmöglich sei. Es folgte 1986 der Unfall in Tschernobyl, von dem mehr als eine halbe
Million Menschen betroffen waren, der schlimmste (bekannte) Atomunfall in der Geschichte. Die Atom-Katastrophe von Fukushima 2011 mit Kernschmelzen in drei Reaktoren machte endgültig klar, dass auch in westlichen AKW die bestehenden Sicherheitsvorkehrungen Gross-Katastrophen nicht verhindern können. Japan kämpft noch heute mit den Folgen der Katastrophe. Weltweit beschleunigte sich mit dem Unfall in Japan der Atomausstieg. Eine indirekte Folge des Unfalls in Fukushima sind erhöhte Sicherheitsanforderungen für AKW und in der Folge massive Kostensteigerungen.

Wem nützt das Gerede einer Renaissance der Atomkraft

Man muss kritisch hinterfragen, weshalb entgegen aller Fakten Medien fast täglich von einer Renaissance der Atomkraft und Politiker*innen von neuen
AKW schwadronieren. Sicher spielen die Dringlichkeit der Energiewende und die Tatsache eine Rolle, dass Putins Erpressungsversuche noch dem letzten
klargemacht haben, dass die Förderung erneuerbarer Energien in den letzten Jahren sträflich vernachlässigt wurde.

Viele haben auf russisches Gas vertraut. Im Hintergrund wird darauf spekuliert, die bestehenden AKW möglichst lange laufen zu lassen und dafür staatliche Subventionen zu erhalten. Abgesehen von den Risiken veralteter Reaktoren wird damit der notwendige Umstieg auf erneuerbare Energien behindert. Bandenergie aus AKW ist nur langsam regulierbar und verstopft die Stromnetze, wenn grosse Mengen Wind- und PV-Strom verfügbar sind. Atomkraft steht dem dezentralen Umbau des Stromversorgungs-Systems im Weg.

Erschienen im Grünwärts Nr. 33, Mai 2023.

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