Stellungnahme zur Vernehmlassung über Ratschlag betreffend kantonales Bedrohungsmanagement und Teilrevision des Polizeigesetzes (PolG)

Grundsätzliche Unterstützung eines auf Aufklärung, Gewaltprävention und Deeskalation ausgerichteten kantonalen Bedrohungsmanagements

Die Grüne Partei Basel-Stadt befürwortet grundsätzlich die Einführung eines kantonalen Bedrohungsmanagements in Sinne einer koordinierten und interdisziplinären Gewaltprävention. Wir erachten es als wichtige Aufgabe des Staats, Situationen, welche zu gewalttätigen Handlungen führen können, nach Möglichkeit präventiv zu erkennen und zu entschärfen. Ebenso begrüssen wir es, dass den betroffenen Personen sowohl auf der (potentiellen) Täterseite wie auch auf der (potentiellen) Opferseite massgeschneiderte Hilfe angeboten werden soll. Wir unterstützen zudem das Konzept der Ansprache von potentiell gewalttätigen Personen. Damit kann in vielen Fällen eine Eskalierung verhindert werden.
Ebenfalls unterstützt wird die Idee, dass Mitarbeitende der Behörden behördenübergreifend und interdisziplinär im Umgang mit möglicherweise gewalttätigen Personen geschult werden und auf eine professionelle Beratung zählen können.
Trotz dieser Unterstützung der Idee eines kantonalen Bedrohungsmanagements haben wir gegenüber dem Gesetzesvorschlag schwerwiegende Vorbehalte betreffend die Frage der Informationsweitergabe durch die Fachstelle.

Der zentrale Punkt der Informationsweitergabe ist weder im Gesetzesentwurf noch im Ratschlag geklärt

Das Konzept eines kantonalen Bedrohungsmanagements basiert auf einem Informationsaustausch von verschiedenen Behörden resp. aussenstehenden Dritten mit einer Fachstelle. Ein solcher Informationsaustausch ist vor allem erforderlich für die koordinierte Erarbeitung und Umsetzung von massgeschneiderten Massnahmen zur Gewaltprävention, wie sie im Ratschlag und im Fragebogen zur Vernehmlassung als Zielsetzung genannt werden. Informationsaustausch bedeutet Informationsfluss an die Fachstelle und ebenso umgekehrt. Im Gesetzesentwurf und im Ratschlag wird ausführlich, detailliert und weitreichend geregelt, wie der Informationsfluss an die Fachstelle erfolgen soll.
Dazu sollen umfassende und weitreichende Melderechte von Behörden und auch aussenstehenden Personen geschaffen werden; die meldenden Stellen können dabei offenbar umfassend Auskunft erteilen und selbst die Berufsgeheimnisse gemäss Art. 321 StGB sollen diese Auskunftserteilung nicht beschränken. Zudem hat die Fachstelle umfassende Befugnisse, weitere Auskünfte von diversen Ämtern und Fachstellen einzuholen. Die Fachstelle verfügt damit über einen Informationszugang zu Daten über die betroffene Person resp. Befugnisse zum Einholen von entsprechenden Informationen, welche ansonsten nur einem Nachrichtendienst zukommen. Es versteht sich von selbst, dass die entsprechende Datensammlung bei der Fachstelle äusserst sensible Informationen enthält, deren Weitergabe an andere Behörden, etwa Strafverfolgungsbehörden, Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden, zukünftige oder aktuelle Arbeitgeber, Schulbehörden etc. für die betroffene Person gravierende Auswirkungen haben können.
Dieses Risiko könnte dadurch vermindert werden, dass die Fachstelle zur strikten Geheimhaltung der gesammelten, analysierten und verknüpften Daten verpflichtet würde. Bei einer solchen strikten Geheimhaltung könnten aber ausser der im Gesetzentwurf vorgesehenen Ansprache der potentiellen Gewalttäterin resp. des potentiellen Gewalttäters sowie der gefährdeten Person keine weiteren massgeschneiderten (präventiven) Massnahmen mehr ergriffen werden. Der Effekt der gesamten Organisation wäre in diesem Fall sehr gering.
Wir möchten zur Illustration das im Ratschlag aufgeführte Beispiel aufgreifen:
Auf Seite 13 des Ratschlags wird als Beispiel eines Falles für das kantonale Bedrohungsmanagement geschildert, dass eine Person sich bei einem Gespräch auf der Steuerverwaltung sehr enerviert und dabei mehr oder weniger deutlich Gewaltanwendung androht.
Dem Gesetzesentwurf und dem Ratschlag ist zu entnehmen, dass die Mitarbeitenden der Steuerverwaltung dem kantonalen Bedrohungsmanagement eine Meldung machen können. Soweit eine erste Risikobeurteilung Anlass zu einer Falleröffnung gibt, wird die Fachstelle die aktuelle Gefährdungssituation analysieren und bei Bedarf weitere Informationen im In- und Ausland einholen. Wie oben ausgeführt, sieht der Gesetzesentwurf hierfür umfassende und weitreichende Datenbeschaffungsmöglichkeiten der Fachstelle vor. Der umfassende Informationsfluss an die Fachstelle ist somit geregelt und beschrieben. Völlig unklar ist hingegen die zentrale Frage, welche Informationen und Ergebnisse der Analyse der Fachstelle in umgekehrter Richtung an andere Behörden oder externe Personen weiterfliessen dürfen und sollen.
Dem vorgeschlagenen Gesetzestext ist zu entnehmen, dass die Fachstelle die „gefährdende Person“ auf ihr Verhalten ansprechen, Beratung, Vernetzung oder ähnliche Massnahmen anbieten und sie über die Folgen der Missachtung gesetzeskonformen Verhaltens orientieren kann (§ 61d des Gesetzesentwurfes). Zudem kann die Fachstelle auch die „gefährdete“ Person auf die Gefährdungslage ansprechen und Beratung, Vernetzung o. ä. Massnahmen anbieten. Dritten gegenüber kann die zuständige Stelle gemäss § 61f des Gesetzesentwurfes lediglich, aber immerhin, Auskunft über die Art der Erledigung ihrer Meldung erteilen. Nach der Durchführung der Ansprache(n) könnte das kantonale Bedrohungsmanagement somit etwa die Steuerbehörde als meldende Stelle über die Erledigung ihrer Meldung in Form der Ansprache informieren (§ 61f des Gesetzesentwurfes).
Daraus könnte abgeleitet werden, dass die Fachstelle für das kantonale Bedrohungsmanagement die zusammengetragenen sensiblen Daten und deren Analyse ausschliesslich für die Ansprache(n) verwenden und im Übrigen anderen Behörden resp. Aussenstehenden nicht offen legen darf (mit Ausnahme der Information über die Erledigung der Meldung). Die Wirkung des kantonalen Bedrohungsmanagement wäre in diesem Fall sehr beschränkt.
Dem Ratschlag und dem dazugehörigen Fragebogen ist aber zu entnehmen, dass das kantonale Bedrohungsmanagement nicht auf diese Ansprache(n) und eine entsprechende Information der meldenden Stelle beschränkt werden soll. Vorgesehen ist vielmehr ein behördenübergreifender «Informationsaustausch», um Schutz- und Risikoanalysen durchzuführen und koordiniert präventive Massnahmen zu planen (vgl. Frage 1b zur öffentlichen Vernehmlassung). Auch im Ratschlag wird auf Seite 8 darauf hingewiesen, dass bisher innerhalb der Verwaltung gegenseitige Melde- und Auskunftsrechte fehlen würden. Das kantonale Bedrohungsmanagement könne diese Lücke schliessen, den Informationsaustausch ermöglichen, eine interdisziplinäre Fallkonferenz einberufen, die Situation entschärfen und damit eine Eskalation verhindern (Ratschlag, Seite 8). Weiter wird ausgeführt, dass die Kantonspolizei den Auftrag erhalten soll, eine Stelle mit Fachbereichsfunktion für ein kantonales Bedrohungsmanagement zu betreiben und mit Amts- und Behördenmitgliedern, Fachpersonen aus Sozial- und Gesundheitswesen, Bildungsinstitutionen, Mitarbeitenden von Beratung und Opferhilfestellen, aber auch Privatpersonen Informationen auszutauschen (Ratschlag Seite 11). Auf Seite 13 des Ratschlags wird weiter ausgeführt, dass die Fachstelle zu Analyse der aktuellen Gefährdungssituation von Vertreterinnen und Vertretern der Erwachsenen- und Kindesschutzbehörden der Universitären Psychiatrischen Kliniken (UPK) und der Staatsanwaltschaft unterstützt werden soll. Auch bei der Aufgabe, die Situation zu entschärfen, soll die Fachstelle Bedrohungsmanagement mit anderen Stellen zusammenarbeiten. Bei der Planung von präventiven Entschärfungsmassnahmen nach erfolgter Ansprache seien unter Einbezug der vorhandenen Ressourcen gemäss Ratschlag massgeschneiderte Lösungen zu suchen, sei es mit der gefährdeten oder mit der gefährdenden Person (Ratschlag, Seite 14). Es ist nicht nachvollziehbar, wie präventive Massnahmen wie etwa der im Ratschlag vorgeschlagene Einbezug von weiteren Fachpersonen oder gar die Sicherstellung von Waffen erfolgen resp. angeordnet werden sollen, wenn die bei der Fachstelle gesammelten Daten Dritten resp. andern Behörden inkl. anderen Polizeibehörden gegenüber nicht offengelegt werden dürfen.
Es ist im Ratschlag im Zusammenhang mit den verschiedenen Massnahmen verschiedentlich von einem «Informationsaustausch» die Rede, was eben bedingt, dass auch die von der Fachstelle gesammelten Informationen wieder an die involvierten Stellen gehen sollen. Ein solcher Informationsaustausch kann zwar sinnvoll, in gravierenden Fällen ja geradezu notwendig sein. Es muss dann aber klar und deutlich geregelt werden, welche Informationen an welche Stellen weitergeleitet werden dürfen und welche nicht. Der rechtliche Rahmen für einen Weitergabe von Informationen der Fachstelle an andere Behörden resp. Dritte muss präzise und nachvollziehbar geregelt sein. Eine solche Regelung sucht man aber sowohl im Gesetzesentwurf als auch im Ratschlag vergebens.
Unklar ist etwa, welche Informationen an eine gefährdete Personen gehen dürfen, wenn diese gemäss § 61c des Entwurfes «auf die Gefährdungslage angesprochen» werden soll. Werden dieser Person die Indizien genannt, welche zur Annahme der Gefährdung führen; werden allenfalls sogar Grundlagen geliefert, welche die gefährdete Person bei einer Strafanzeige oder beim Zivilgericht zur Erlangung eines Annäherungsverbots verwenden kann? Diese zentralen Fragen der Informationsweitergabe werden im Ratschlag nicht behandelt.
Wenn bei einer gefährdenden Person ein erhöhtes Bedrohungspotenzial erkannt wird und sich die Situation zuspitzt: sollen etwa die Mitglieder der Mietschlichtungsstelle bei einer anstehenden Verhandlung entsprechend informiert werden, damit diese allenfalls Sicherungsmassnahmen ergreifen können?
Wenn in einer solchen Situation ein Mitglied der Polizei oder der Strafverfolgungsbehörden in einem entsprechenden Verfahren eine Anhaltung oder Befragung der gefährdenden Person plant: kann sie oder er davor Zugriff auf die Ergebnisse der Gefährdungsanalyse aus dem kantonalen Bedrohungsmanagement verlangen?
Sollen im Falle eines zivilprozessualen Verfahrens etwa betreffend ein Annäherungsverbot Informationen aus dem kantonalen Bedrohungsmanagement beigezogen werden dürfen?
Die aufgeworfenen Fragen können basierend auf dem Gesetzesentwurf resp. dem Ratschlag nicht beantwortet werden. Aus dem Gesetzesentwurf und dem Ratschlag geht insbesondere nicht hervor, ob die Fachstelle die Staatsanwaltschaft andere Abteilungen der Kantonspolizei oder andere Behörden über das Ergebnis ihrer Gefährdungsanalyse informieren darf oder soll.
Eine Weitergabe der gesammelten Informationen an Strafverfolgungsorgane wäre selbstverständlich besonders problematisch. Die Erhebung der Daten durch die Fachstelle erfolgt nicht nach den Vorschriften der Strafprozessordnung. Die so erhobenen Daten dürften somit nicht in einem Strafverfahren gegen eine beschuldigte Person verwendet werden. Dennoch wird im Ratschlag darauf hingewiesen, dass die potentielle Gewalttäterin resp. der potentielle Gewalttäter darauf hingewiesen werden müsse, dass bei Hinweisen auf strafrechtlich relevante Ereignisse eine Meldung an die Strafverfolgungsbehörden gemacht werden müsse (Ratschlag, S. 14). Auch wenn im Ratschlag ausgeführt wird, dass bei strafrechtlicher Relevanz die «Fallverantwortung an die Staatsanwaltschaft» wechselt (Ratschlag, S. 13), ist damit nicht geklärt, ob Informationen aus dem Bedrohungsmanagement an die Staatsanwaltschaft gelangen oder nicht.
Damit wird im Ratschlag ein zentrales Problem des Bedrohungsmanagements ausgeklammert, welches für die Beurteilung der Zulässigkeit und Verhältnismässigkeit der vorgeschlagenen Massnahmen von zentraler Bedeutung ist. Die mangelnde Klärung dieser Problemstellung führt dazu, dass die im Fragebogen zur Vernehmlassung aufgeführten Fragen nicht in einer sinnvollen Weise beantwortet werden können.
Wenn etwa in Ziffer 1 des Fragebogens die Frage aufgeworfen wird, ob Gewaltprävention als gesamtkantonale Aufgabe wahrgenommen werden soll, so kann dies zwar sicherlich mit Ja beantwortet werden. Dieses Ziel kann aber nicht erreicht werden, wenn eine Fachstelle für kantonales Bedrohungsmanagement zwar umfassend Daten erheben respektive Informationen zusammentragen und verknüpfen kann, ohne dass geregelt ist, ob und in welchem Umfang die Schlussfolgerungen aus dieser Analyse anderen Behörden respektive Dritten eröffnet werden dürfen.
Auch die in Frage 1b erwähnte Ergreifung von massgeschneiderten Präventionsmassnahmen setzt voraus, dass die involvierten Behörden oder Auftritte die hierfür erforderlichen Informationen austauschen können. Die Grundlagen und Grenzen eines solchen Informationsaustausches, zu welchem auch die Weitergabe von Informationen gehört, werden aber weder im Gesetzesentwurf noch im Ratschlag dargelegt.
In Frage 1d wird ausgeführt, dass der präventive Handlungsbereich und die Strafverfolgung klar voneinander getrennt werden sollen. Dies ist sicherlich richtig. Es setzt aber voraus, dass die im Rahmen des kantonalen Bedrohungsmanagement respektive der ergriffenen massgeschneiderten Präventionsmassnahmen gesammelten Daten und Informationen nicht an die Strafverfolgungsbehörden gelangen dürfen. Dem Ratschlag sind aber entsprechende Ausführungen nicht zu entnehmen. Die oben erwähnten Ausführungen betreffend den Informationsaustausch zwischen der Fachstelle und den übrigen Abteilungen der Kantonspolizei respektive der Staatsanwaltschaft deuten in eine andere Richtung.
Die im Ratschlag nicht behandelte Frage einer Weitergabe von Informationen aus dem kantonalen Bedrohungsmanagement an andere Behörden, insbesondere andere Polizeibehörden und Strafverfolgungsbehörden sowie Dritte ist von zentraler Bedeutung. Bevor der Ratschlag dem Grossen Rat vorgelegt werden soll, muss diese Frage geklärt sein. Erst dann lässt sich beurteilen, ob die umfassenden Informationsbeschaffungsbefugnisse der Fachstelle für das kantonale Bedrohungsmanagement verhältnismässig sind.
Nachfolgend werden weitere Kritikpunkte an der vorgeschlagenen Regelung aufgeführt, welche aber je nach Beantwortung der vorgenannten Frage betreffend die Informationsweitergabe anders zu gewichten sind.

Weitere Kritikpunkte

Ansiedelung der neuen Fachstelle

Dass die neue Fachstelle von der Kantonspolizei betrieben werden soll, sehen wir kritisch, da dies mit einer Ausweitung der polizeilichen Kompetenzen einhergeht. Der Kanton verfügt bereits über andere Behörden, die sekundär präventiv arbeiten und deren Fachpersonen der sozialen Arbeit, Psychologie, Psychiatrie, Medizin mit der Verhinderung von Gewalt betraut sind. Die Fachstelle könnte daher auch in einer anderen Behörde/Departement angesiedelt werden und wäre ebenso geeignet Gewalt zu verhindern. Aus unserer Sicht wäre eine Ansiedlung bei der UPK Basel sinnvoll. Die Zusammenarbeit zwischen der Fachstelle und der Polizei, namentlich wenn Gefahr in Verzug ist, könnte ebenfalls gewährleistet werden.
Der Ratschlag äussert sich zudem nicht spezifisch zur politischen Aufsicht. Wir halten diese unabhängig davon, welche Behörde die Fachstelle betreibt, für äusserst wichtig.

§ 2 Abs. 1 Ziff. 2bis ist zu schwammig formuliert

Gemäss dieser Bestimmung erkennt die Kantonspolizei konkrete, zielgerichtete von Personen ausgehende Gewaltbereitschaft, welche geeignet ist, die physische, psychische oder sexuelle Integrität Dritter zu gefährden und trifft «entsprechende Massnahmen», um dies zu verhindern. Zunächst ist nicht einmal klar, auf was sich «dies» bezieht, welches verhindert werden soll. Ist dies die Gewaltbereitschaft oder die Gefährdung der Integrität Dritter? Es erscheint in jedem Fall als fraglich, welche entsprechenden Massnahmen die Kantonspolizei in diesem Fall ergreifen darf. Es müsste hier zumindest klargestellt werden, dass die Kantonspolizei nur die gesetzlich vorgesehenen Massnahmen ergreifen darf.

Die Voraussetzungen für eine Meldung in § 61a sind zu wenig eingegrenzt

Gemäss dieser Bestimmung kann in allen Fällen eine Meldung an die Fachstelle erfolgen, wenn von einer Person eine Gefahr im Sinne von § 2 Abs. 1 Ziff. 2bis ausgehen soll. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass die Norm, auf welche hier verwiesen wird, zu schwammig formuliert ist. Eine Gewaltbereitschaft, die geeignet ist, die die physische, psychische oder sexuelle Integrität Dritter zu gefährden, tritt wohl bei jeder auch so geringfügigen Schlägerei zu Tage. Aus dem Gesetzeswortlaut geht hervor, dass in jedem Fall irgendeiner sich aus einer Gewaltbereitschaft ergebenden Gefährdung (nicht Verletzung!) der physischen oder psychischen Integrität Dritter eine Meldung an die Fachstelle Bedrohungsmanagement erfolgen soll. Die im Ratschlag erwähnte Beschränkung auf Fälle «schwerer» Gewalt findet im Gesetzestext keine Stütze. Eine klare Eingrenzung ist insbesondere auch deshalb wichtig, da der im Gesetz weiter verwendete Begriff der «gefährdenden Person» ebenfalls kaum fassbar ist.

Der völlige Ausschluss der Berufsgeheimnisse nach Art. 321 StGB ist unverhältnismässig

Die Auflistung der möglichen Meldestellen ist äusserst breit gefasst; sie umfasst sowohl Behörden als auch Personen aus dem Medizinalbereich, von privaten Finanzdienstleistern und Organisationen mit sozialem, präventivem oder unterstützendem Zweck oder Religionsgemeinschaften. Aufgrund des grossen Kreises der meldeberechtigten Personen erscheint es geradezu unverständlich, weshalb hier nicht einfach ein «allgemeines Melderecht» eingeführt werden soll; weshalb soll etwa ein privates Transportunternehmen nicht zu einer Meldung berechtigt sein, ein Finanzdienstleister aber schon? Gravierender und einschneidender ist aber der Ausschluss des Berufsgeheimnisses nach Art. 321 StGB bei den meldenden Personen. In Art 321 StGB wird die Verletzung eines Berufsgeheimnisses durch Geistliche, Anwältinnen, Verteidiger, Notarinnen, Revisoren, Ärztinnen etc. unter Strafe gestellt. Dieses Berufsgeheimnis, welches in einigen Fällen bundesrechtlich vorgeschrieben ist, soll nun im Falle einer Meldung an die Fachstelle Bedrohungsmanagement nicht gelten. Ein solcher völliger Ausschluss des Berufsgeheimnisses bei Meldungen an das kantonale Bedrohungsmanagement ist nicht angebracht und nicht verhältnismässig. Es würde das Berufsgeheimnis in einem zentralen Punkt aushöhlen und damit zu einem Vertrauensverlust führen.

Die Datenaufbewahrungsfristen erscheinen zu undifferenziert

Gemäss dem vorgeschlagenen Gesetzestext soll die für das Bedrohungsmanagement zuständige Stelle die Daten zu einer Person nach 10 Jahren löschen. Im Ratschlag wird dazu ausgeführt, dass diese Daten wesentlich früher gelöscht werden sollen, wenn keine „Falleröffnung“ erfolgt. Diese wesentliche Einschränkung soll aber im Gesetzestext selbst verankert werden. Der Fristenlauf für die 10-jährige Datenaufbewahrung beginnt gemäss dem Gesetzestext mit dem letzten Datenzuwachs zum letzten erfassten Ereignis. Zudem soll gemäss dem Gesetzestext der zuständigen Stelle die Möglichkeit zukommen, Daten bereits nach drei Jahren zu löschen, wenn sie zum Ergebnis kommt, dass von einer Person keine Gefahr mehr ausgeht. Aus dieser Regelung respektive dem Ratschlag wird nicht klar, welchem Ziel diese Aufbewahrungsfristen dienen. Für das im Ratschlag aufgeführte Ziel der Nachvollziehbarkeit staatlichen Handelns kann es keine Rolle spielen, ob eine Behörde zum Schluss gelangt, ob von einer Person eine Gefahr ausgeht oder nicht. Aus diesem Gesichtswinkel ist für die weitere Aufbewahrung und resp. Löschung solcher Daten nur relevant, ob der entsprechende Datensatz gemäss Archivgesetz als archivwürdig angesehen wird oder nicht (vgl. § 16 IDG). Die im Gesetz vorgesehene allgemeine 10-jährige Aufbewahrungsfrist für alle Akten aus dem Bedrohungsmanagement dient somit offenbar einem anderen Ziel; die Daten sollen für den «weiteren Gebrauch» zur Verfügung stehen; d.h. für eine Beurteilung der Lage zu einem späteren Zeitpunkt. Damit entsteht aber die Gefahr, dass höchst sensible Daten zu einer Person über Jahre weiterhin von internen oder externen Stellen konsultiert werden, obwohl die Daten nicht mehr für die präventiven Zwecke des Bedrohungsmanagements verwendet werden. Um dem Schutz der Betroffenen vor dem Missbrauch der sensiblen Daten Rechnung zu tragen, muss einerseits der Zugang zu diesen Daten gemäss den obigen Ausführungen klar und nachvollziehbar reglementiert werden. Zudem  muss für Betroffene die Möglichkeit geschaffen werden, auch vor Ablauf der 10-Jährigen Aufbewahrungsfrist eine Löschung der Akten zu verlangen, wenn an deren weiterer Aufbewahrung kein öffentliches Interesse mehr besteht.