Im November stimmt Basel-Stadt über die Klimagerechtigkeitsinitiative ab. Ein langer und komplizierter Name für ein einfaches Anliegen: Basel soll bis
2030 klimaneutral sein. Warum lang, wenn es auch kurz ginge? Anders gefragt, warum wird ein physikalisches Problem zu einer Gerechtigkeitsfrage?

Wenn es regnet, werden Menschen nass. Soweit so logisch. Wer nun aber ein Obdach besitzt, wird vom Regen nicht gleich getroffen – je nach Situation und sozio-ökonomischem Status. Womit wir mitten in der Gerechtigkeitsdebatte sind. Die moralische Frage ist: Wer erfährt Leid und wer hat dieses Leid zu verantworten? Die Zuordnung der Verantwortung ist leicht: industrialisierte Gesellschaften. Nur wenige Einzelpersonen tragen signifikant zur Erderwärmung bei. Wenn es aber um die Frage der Leittragenden geht, dann sind es vor allem die Gesellschaften, die weder die Klimakrise geschaffen noch von der industriellen Lebensweise profitiert haben. Wer genau ist das nun aber?

Frauen* und die Klimakrise

Global gesehen sind Frauen der Klimakrise viel stärker ausgesetzt, weil sie gesellschaftlich schlechter gestellt sind. Dazu kommt, dass Frauen im globalen
Süden von Subsistenzwirtschaft leben. Für sie ist eine Veränderung des Klimas sehr schnell existenzbedrohend, weil sie Regenausfälle überhaupt nicht abfedern können. So ist es auch nicht mehr überraschend, dass die Vereinten Nationen schätzen, dass 80 Prozent der Klimaflüchtenden Frauen sein werden.

Der globale Süden und die Klimakrise

Der Klima-Risiko-Index von 2021 zeigt, welche Länder am stärksten von der Klimakrise betroffen sind. Zwischen 2000 und 2019 besetzten Puerto Rico,
Myanmar und Haiti die ersten drei Plätze, im Ranking der CO2-Emissionen pro Kopf liegen diese drei Länder mit dem 204., dem 136. und dem 154. Platz ganz unten auf der Liste. Die Diskrepanz könnte nicht grösser sein und finanziell haben diese Länder kaum Mittel, sich an die globale Erwärmung anzupassen.

Die Hauptfarbe und die Klimakrise

Als sich in den 1960er Jahren Chemiekonzerne und -kraftwerke in der Nähe weisser Wohnviertel in den USA niederlassen wollten, wehrten sich die Bewohner*innen erfolgreich. Was dann jedoch geschah, endete in der Einführung des Begriffs des Umweltrassismus. Die Kraftwerke wurden in ärmere
und migrantische Viertel verlegt.

In der Klimarkrise wiederholt sich das Muster. Vor allem BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) sind von den Wetterextremen betroffen. Während
effektive Klimaschutzgesetze im globalen Norden und damit vor allem in weissen Gesellschaften politisch eigentlich nicht durchsetzbar sind, tragen die
Folgen andere. Wenn diese Menschen dann bei uns in Europa anklopfen, werden sie meist abgewiesen.

Gesundheit und die Klimakrise

In den Fluten im deutschen Ahrtal sind mindestens zwölf behinderte Menschen ums Leben gekommen, weil sie vor den Wassermassen nicht fliehen
konnten und diesen Sommer gab es in der Schweiz eine Übersterblichkeit aufgrund von Hitzetoten. Wetterextreme und ihre Folgen fordern den menschlichen Körper stark heraus. Menschen mit Beeinträchtigung oder Vorerkrankung können dies immer öfter nicht mehr bewältigen und sind damit früher betroffen. Zudem sind sie besonders auf Hilfe von anderen angewiesen, was in Krisenzeiten schneller zur Vernachlässigung führen kann.

Armut und die Klimakrise

Nicht nur im globalen Süden ist die Ungerechtigkeit der Klimakrise zwischen Arm und Reich zu sehen. Es genügt, die eigene Stadt unter die Lupe zu nehmen. Die Feldbergstrasse hat konstant zu hohe Abgaswerte, aber auch eine hohe Dichte an günstigen Wohnungen, auf die vor allem Menschen mit wenig Geld angewiesen sind. Es gibt ein direkte Korrelation zwischen Feinstaubbelastung und Atemwegserkrankungen bis hin zu frühzeitigem Tod. Zudem sind günstige Wohnviertel oft Betonwüsten, was an Hitzetagen eine zusätzliche Aufheizung des Umfelds bedeutet und damit stärkeren Hitzestress auslöst.

Ungerechtigkeit und die Klimakrise

Dass die Klimakrise die vulnerabelsten Menschen trifft, ist keine spezifische Eigenschaft, sondern eine Folge der Verhältnisse in unserer Gesellschaft. Wie
die Coronapandemie verstärkt die Klimakrise die bestehenden Ungerechtigkeiten. Je weniger Mittel zur Verfügung stehen, desto schlechter können Katastrophen abgefedert werden. Deswegen müssen wir bei der Bewältigung dieser Umweltkrise den Gerechtigkeitsaspekt mitdenken. Zum einen, weil wir eine moralische Verpflichtung dazu haben, zum anderen, weil eine nachhaltig ökologische Wende gar nicht ohne all diese Menschen funktionieren kann.

Anders gesehen haben wir eigentlich eine historische Chance: Durch Klimaschutz endlich auch mehr Gerechtigkeit auf allen Ebenen erreichen. Eben Klimagerechtigkeit.

Artikel erschienen im Grünwärts Nr. 31, November 2022.

Helma Pöppel, Vorstand jgb

*Hier wird von Frauen gesprochen, weil die Statistiken im binären System erfasst werden.