Psychische Erkrankungen sind mit grossem Leid für die Betroffenen und deren Angehörigen, aber auch mit hohen volkswirtschaftlichen Kosten verbunden. Es steht ausser Frage, dass eine möglichst frühzeitige psychotherapeutische Behandlung beides – Leid und Kosten – signifikant zu reduzieren vermag. Schätzungen zufolge vervielfachen sich die volkswirtschaftlichen Kosten (Krankheitsabsenzen, stationäre Behandlung, Produktionsausfälle, Arbeitslosenversicherung und Sozialhilfe, IV, verlorene Lebensjahre durch Suizide…) einer psychischen Erkrankung bei einer Nicht-Behandlung. Nur: Aktuell sind kaum freie Psychotherapieplätze vorhanden und es muss mit langen Wartezeiten[1] gerechnet werden. Hinzu kommt, dass der Bedarf an Psychotherapie seit Jahren wächst. Die WHO schätzt, dass 2030 die psychischen Erkrankungen an der Spitze der wichtigsten gesundheitlichen Belastungen der westlichen Gesellschaften stehen werden. In Anbetracht dieser Entwicklungen wird klar, dass nebst der Förderung einer belastbaren Versorgung vor allem die Stärkung der Prävention psychischer Erkrankungen von grösster Wichtigkeit ist – und dies in möglichst frühem Alter, insbesondere in der Kindheit und Jugend. Die psychische Gesundheit der Bevölkerung muss nachhaltig gestärkt werden, um langfristig den Bedarf an Psychotherapie zu senken.

Der Regierungsrat anerkennt in seiner Beantwortung der schriftlichen Anfrage Weibel 24.5252.02, dass über die Hälfte der langfristigen psychischen Probleme im Kindes- und Jugendalter entsteht. Es sei umso wichtiger, «dass im familiären Umfeld sowie in den Schulen offen über psychische Erkrankungen gesprochen wird»[2]. Der Regierungsrat teilt die Einschätzung, dass eine nachhaltige Prävention von psychischen Erkrankungen idealerweise im Kindergartenalter beginnen sollte und plädiert für vielfältige präventive Massnahmen, unter anderem das offene Thematisieren von psychischer Gesundheit an den Schulen. Raum dafür biete den Lehrpersonen der Lehrplan 21, der den Aufbau von überfachlichen Kompetenzen[3] während der gesamten Schulzeit sowie Schwerpunkte in einzelnen Fachbereichen vorsieht. Zusätzlich können Lehrpersonen heute schon fakultativ aus passenden Präventionsprogrammen auswählen. Der Regierungsrat schreibt weiter, dass sich derzeit eine interdepartementale Arbeitsgruppe mit der Planung und Koordination der Präventionsangebote an den Schulen befasse. Sollte diese die psychische Gesundheit als Schwerpunkt erklären, könnten Präventionsprogramme zu diesem Thema geprüft werden.

Die Motionär:innen beauftragen die Regierung, die psychische Gesundheit bei der künftigen Planung und Koordination der Präventionsangebote an Schulen zwingend als Schwerpunkt zu setzen. Binnen dreier Jahre soll ein altersstufengerechtes Präventionsprogramm ab Kindergartenalter und über die gesamte Schulzeit hinweg eingeführt werden, das die Stärkung der psychischen Resilienz durch die Förderung emotionaler Kompetenzen und Stressregulation (sogenanntes Skillstraining) fokussiert. Um eine Überladung des Präventionsangebots und eine Zusatzbelastung der Lehrpersonen zu vermeiden, sollen Synergien, wo immer sinnvoll, mit anderen obligatorischen Angeboten – zu sexualisierter Gewalt (vgl. Motion 22.5469 Sartorius) und sexueller Gesundheit, Sucht- und Gewaltprävention – genutzt werden.

Für die Umsetzung dieses obligatorischen Präventionsprogramms soll geprüft werden,

  • wie bereits bestehende, fakultative Präventionsangebote wie «Start Now»[4] und «Irre normal»[5] sowie das von der UPK bereits entwickelte Angebot «Start Now Kids» für Kinder ab fünf Jahren in das obligatorische Workshop-Programm für die Schüler:innen integriert werden können;
  • wie Lehrpersonen im Rahmen von Schulungen dazu befähigt und dabei unterstützt werden können, das Thema psychische Gesundheit und psychische Erkrankung mit ihren Schüler:innen zwischen den Workshops weiterzuführen und wie dafür das Ausbildungsangebot von «Start Now TrainerIn»[6] oder die Unterrichtsmaterialien von «Wie geht’s dir?» einbezogen werden können, die viele Lehrpersonen jetzt schon nutzen;
  • ob für die Ausarbeitung und Implementierung des Präventionsprogramms ein eigens einberufenes Projektteam aus Fachpersonen (z.B. aus dem Programm «Start Now» der UPK, der UPKKJ und der niedergelassenen Kinder- und Jugendpsychotherapie) eingesetzt werden kann, das unter Einbezug der Beteiligten (Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulsozialarbeit und SPD) die Rahmenbedingungen des Programms und seiner Implementierung ausarbeitet;
  • wie auch Eltern und die familiären Umfelder der Kinder und Jugendlichen für das Thema sensibilisiert und gewonnen werden können;
  • welche zusätzlichen Ressourcen es für die Umsetzung des Präventionsprogramms bedarf, etwa für zusätzliche Ressourcen für die Schulsozialarbeit, für die Finanzierung externer Fachpersonen und Workshop-Anbieter:innen, damit das obligatorische Angebot nicht zu Lasten der Lehrpersonen geht.

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[1]Auf der für Basel wichtigsten Suchplattform doc24 sind aktuell nur 0.2 Prozent der psychologischen und ärztlichen Psychotherapeut:innen ohne Wartezeiten verfügbar. Ähnliche Zahlen von unter fünf Prozent berichtet die Therapieplatzvermittlung des Verbandes der Psycho­therapeut:innen beider Basel VPB.

[2]In der Beantwortung der Interpellation Nr. 77 Nussbaumer anerkennt der Regierungsrat, dass es wichtig und er bereit dazu sei, «zukünftig weitere Massnahmen» zu ergreifen, um eine Chancengleichheit zwischen den Kindern und Jugendlichen herzustellen, die aufgrund deren unterschiedlich psychosozial und ökonomisch belasteten Familien nicht gegeben ist. Genau deswegen kommt den Schulen in der Prävention von psychischen Erkrankungen eine so entscheidende Rolle zu.

[3]https://bs.lehrplan.ch/index.php?code=e|200|3

[4]https://www.istartnow.ch/de/

[5]https://www.bs.ch/themen/gesundheit/gesundheitsfoerderung/praeventionsangebote/irre-normal

[6]https://www.istartnow.ch/de/start-now-weiterbildung/