Für die Medien stand das Resultat der europäischen Wahlen lange vor dem Wahltag fest: Die äusserste Rechte wird gewinnen, die Linke und die Grünen
werden Federn lassen. Die Realität sieht aus grüner Sicht zum Glück differenzierter aus als das Orakel. Zwar verloren die Grünen in Deutschland und in Frankreich viele Sitze. In den skandinavischen und osteuropäischen Ländern legten sie jedoch zu. Mit den entscheidenden Stimmen für die Wahl der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hat die grüne Fraktion schon in der ersten Sitzung des neuen Europaparlamentes gezeigt, dass sie auch in Zukunft eine prägende Rolle spielen wird. Als Brandmauer gegen rechts.

Die Europawahlen vom 6.– 9. Juni waren durch die Heraufbeschwörung eines rechtsextremen Wahlsieges geprägt. Tatsächlich konnten die  antidemokratischen Parteien zulegen, aber geringer als befürchtet. Die frühere Koalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen hat – mit internen Verschiebungen – noch immer eine klare Mehrheit. Da der «rechte Tsunami» ausblieb, ändert sich für die Europapolitik der Schweiz also grundsätzlich nichts.

Die Kräfteverhältnisse in der EU sind jedoch äusserst labil und die Umweltthemen unter Druck. Die Grünen sind auf die Stärke von 2018 zurückgefallen. Am meisten Sitze verloren sie in den Ländern, in denen die öffentliche Debatte von rechtsradikalen Parteien und Grünen-Bashing dominiert ist. Dies zeigt, dass eine selbstbewusste und engagierte Antwort auf rechte Verzerrungen und Fake-News notwendig ist. Ein leuchtendes Beispiel dafür ist französische Grünen-Chefin Marine Tondelier.

Sie hat praktisch im Alleingang und mit grosser Leidenschaft die französische Linke gegen rechts geeint und zu einem nationalen Wahlerfolg geführt. Auch die grüne Europafraktion lässt nicht locker und will den «Green Deal» mit pragmatischen Vorschlägen und taktischen Allianzen Schritt für Schritt vorwärtsbringen.

An diesem Spirit können sich die Schweizer Grünen ein Vorbild nehmen. Mit fundierten Lösungen, Realitätssinn und guter Kommunikation bringen wir grüne Politik auch bei Gegenwind voran.

Artikel erschienen im Grünwärts Nr. 38, September 2024

Regula Rytz, Delegierte bei der Europäischen Grünen Partei EGP