Im Juli 2024 veröffentlichte die Gewerkschaft UNIA Schweiz eine Umfrage unter Lernenden mit besorgniserregenden Ergebnissen:
92.4 % der Teilnehmenden empfinden Stress am Arbeitsplatz, 27.9 % der Frauen und 7.8 % der Männer berichten von sexueller Belästigung, Rassismus betrifft 35.3 % der Lernenden, 54.9 % der Lernenden geben an, dass ihr Betrieb nie vom Amt für Berufsbildung kontrolliert wurde¹.
Auf diese Zahlen reagierte Herr Regierungsrat Mustafa Atici in der BZ vom 21.3.2025, dass er nicht denke, dass diese Zahlen für Basel-Stadt repräsentativ seien².

Zu der Berichterstattung bitte ich die Regierung um die Beantwortung folgender Fragen:

1. Auf welcher Grundlage schliesst der Regierungsrat, dass die von UNIA Schweiz erhobenen Zahlen für den Kanton Basel-Stadt nicht repräsentativ seien?

2. Erhebt der Kanton Zahlen zum Stressempfinden und erlebter Diskriminierung der Lernenden? Falls ja, wie und wie oft?

Im Bericht über die Lehrstellensituation vom 11. September 2024³ geht erfreulicherweise hervor, dass der Anteil der Jugendlichen, die nach der obligatorischen Schulzeit eine Lehre beginnen, seit 2016 auf 23 % (2024) gestiegen ist. Die Personen, die den Übertritt ans Gymnasium machen, schwanken seit 2016 um 37 %. Damit der duale Bildungsweg attraktiv bleibt, muss die Berufsbildung attraktiv sein.

Die Berufsbildung, bestehend aus Lernenden, Lehrbetrieben, Berufsschulen und dritten Lernorten, sind wertvoll und wertzuschätzen. Die Lehrbetriebe sind zu unterstützen, damit sie genügend Ressourcen zur Bildung der Lernenden haben. Die Lernenden sind zu unterstützen, damit sie im Betrieb eine faire Behandlung erleben und Freude am Beruf finden.

Da Lernende meist vulnerable, junge Menschen sind und mit 15 oder 16-jährig plötzlich mit deutlich älteren und erfahreneren Menschen zusammenarbeiten, kommt es nicht nur zu Fachwissenvermittlung, sondern auch gezwungenermassen zum Kennenlernen von Hierarchien. Diese können gerade im Fall von Diskriminierung und Mobbing dazu führen, dass Lernende sich aus Angst um ihre Lehrstelle oder die zukünftige Behandlung im Betrieb nicht trauen, die potenziell problematischen Situationen im Betrieb oder auch extern zu melden.

Deshalb bitte ich den Regierungsrat um die Beantwortung der weiteren Fragen:

3. Wie regelmässig werden die baselstädtischen Lehrbetriebe vom Amt für Berufsbildung kontrolliert? Finden diese Kontrollen angekündigt oder unangekündigt statt? Dienen diese Kontrollen als Aufdeckmöglichkeit für problematische Situationen aus dem zwischenmenschlichen Bereich?

4. Wie viele Ansprechpersonen für Lernende gibt es seitens Kantons und für wie viele Lernenden ist eine Ansprechperson verantwortlich? Ist es den Ansprechpersonen ressourcenbedingt möglich, allen Anliegen nachzugehen?

5. Inwiefern arbeiten die genannten Ansprechpersonen mit den Lehrbetrieben zusammen?

6. Sind die Lernenden mit der Betreuung durch die Ansprechpersonen des Kantons zufrieden?

7. Gibt es eine Meldestelle, an welche sich die Lernenden wenden können? Gibt es eine externe Meldestelle, an welche sich die Lernenden wenden können? Sind die jeweiligen Beratungen anonym?

8. Gibt es an der Gewerbeschule eine Beratung, welche äquivalent zum schulpsychologischen Dienst an den Gymnasien steht?

9. Welche Ausbildung muss ein:e Lehrmeister:in vorweisen, um Lernende zu betreuen? Wie lange dauert die Ausbildung zum/zur Lehrmeister:in und wird sie fachspezifisch durchgeführt? Inwiefern deckt die Ausbildung zum Lehrmeister pädagogische Aspekte ab?

10. Wie haben sich die Inhalte des Berufbildungskurs‘ über die letzten zwei Jahrzehnte weiterentwickelt? Wie entwickelt sich die Nachfrage nach den vom Kanton angebotenen Berufsbildungskursen über den Lauf der Zeit?

11. Inwiefern sieht der Kanton Unterschiede und potenzielle Vor- und Nachteile zwischen den kantonalen Berufsbildungskursangeboten und denjenigen von einschlägigen berufsspezifischen Branchenverbänden?

12. Wie unterstützt der Kanton die Lehrbetriebe, damit es für die Lehrbetriebe attraktiv ist, den Lernenden das bestmögliche Umfeld für die Ausbildung zu gewähren (z.B. durch Unterstützung der Betriebe, den entsprechenden Betriebsverbänden beizutreten, welche z.B. Empfehlungen zur Angleichung der Lernendenlöhne an die Teuerung abgeben)?

13. Wie tauscht sich der Kanton mit den Lehrbetrieben, den Lernenden und Dritten aus? Gibt es ein Äquivalent zur Schüler:innenvertretung (Interessenvertretung der Lernenden durch Lernende)?

¹ Quelle: https://unia.ch/de/aktuell/artikel/a/21317
² Quelle: https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/demo-in-basel-aufstand-der-lernenden-wir-wollen-unsere-stimme-an-die-oeffentlichkeit-tragen-ld.2746849
³ Quelle: https://grosserrat.bs.ch/dokumente/100407/000000407997.pdf