Wer ehrverletzende Online-Kommentare zur Anzeige bringen möchte, muss 800 CHF an die Staatsanwaltschaft zahlen, damit eine Anzeige überhaupt behandelt wird. Dies gilt auch, wenn die Polizei bestätigt, dass Kommentare ehrverletzend sind und Fotobeweise der Kommentare sowie des dazugehörigen Profils vorhanden sind, das mit Klarnamen, Profilfoto und dem Wohnkanton des potenziellen Täters versehen ist.

Diese 800 CHF erhält die anzeigende Person nur dann zurück, wenn der Täter ermittelt und verurteilt wird. Bleibt der Täter jedoch unauffindbar oder kommt es nicht zu einer Verurteilung, hat die anzeigende Person den nicht unbeträchtlichen finanziellen Aufwand umsonst geleistet und erhält ihn nicht zurück.

Diese Regelung führt de facto dazu, dass Ehrverletzungen derzeit nur dann geahndet werden, wenn die Opfer finanziell in der Lage sind, diesen Betrag zu tragen. Der Zugang zum Recht wird somit in solchen Fällen praktisch verwehrt.

Deshalb bitte ich den Regierungsrat um Beantwortung folgender Fragen:

  1. Dieser Kostenvorschuss gibt es nach StPO Art.303a nur bei Ehrverletzungsdelikten. Allerdings steht in dem besagten Artikel „Bei Ehrverletzungsdelikten kann die Staatsanwaltschaft die antragsstellende Person auffordern, innert einer Frist für allfällige Kosten und Entschädigungen eine Sicherheit zu leisten. Wird die Sicherheit nicht fristgerecht geleistet, so gilt der Strafantrag als zurückgezogen.”
    1. In welchen Fällen verlangt die Staatsanwaltschaft eine Sicherheit (Kostenvorschuss)? Differenziert die Staatsanwaltschaft in den Einzelfällen, ob sie sie verlangt oder nicht?
    2. Differenziert die Staatsanwaltschaft in der Höhe des Kostenvorschusses z.B. nach dem Einkommen der Betroffenen?
  2. Besteht seitens des Regierungsrats die Erkenntnis, dass das Erfordernis einer Vorauszahlung von 800 CHF einkommensschwächere Personen von der Durchsetzung ihrer Rechte abhält?
  3. Ist der Regierungsrat der Meinung, dass die derzeitige Praxis den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz gefährdet, insbesondere in Fällen von Ehrverletzungen?
  4. Gibt es Überlegungen seitens des Regierungsrats, diese Vorauszahlungsregelung zu ändern oder anzupassen, um allen Betroffenen – unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten – den Zugang zum Recht zu ermöglichen?
  5. Welche Kriterien liegen der Festlegung der Höhe der Gebühr (800 CHF) zugrunde, und gibt es Pläne, diese Gebühr zu senken oder darauf zu verzichten?
  6. Inwiefern sieht der Regierungsrat eine Möglichkeit, in Fällen von Ehrverletzungen oder ähnlichen Delikten auf eine Gebührenerhebung zu verzichten, bis geklärt ist, ob der Täter ermittelt und verurteilt werden kann?
  7. Wie bewertet der Regierungsrat die Tatsache, dass Opfer von Ehrverletzungen im Internet auf diese Weise oft davon abgehalten werden, rechtliche Schritte zu unternehmen, obwohl die Rechtslage eigentlich auf ihrer Seite wäre?
  8. Gibt es auf kantonaler oder eidgenössischer Ebene Bestrebungen, die Bearbeitung von Anzeigen, insbesondere bei Straftaten im Internet, zugänglicher und fairer zu gestalten?

Zum Geschäft